Leitsatz

Ist nach dem Gesellschaftsvertrag eine Entnahme ausdrücklich zulässig, ohne dass ausschüttungsfähiges Kapital vorhanden ist und wird der so entstandene Saldo gesellschaftsvertraglich als Forderung der Gesellschaft bezeichnet, so liegt ein Darlehenskonto der Gesellschafter vor.

 

Sachverhalt

Im Streitfall ging es um eine Kommanditgesellschaft, für deren Gesellschafter ein Kapitalkonto I als Festkonto geführt wurde. Dieses Kapitalkonto bestimmt sich nach den bedungenen Einlagen. Nach dem Stand dieses Kontos bemessen sich die Gesellschafterrechte der Kommanditisten. Bilanzierte Gewinn- und Verlustanteile werden auf einem Verlustvortragskonto (Kapitalkonto II) verbucht. Entnahmen werden, soweit durch diese auf dem Kapitalkonto II ein negativer Saldo entstehen oder sich ein negativer Saldo erhöhen würde, auf einem gesonderten Entnahmekonto (Darlehenskonto) eines jeden Gesellschafters gebucht. Der Saldo ist als Forderung der Gesellschaft anzusehen.

Streitig war nun, ob eine auf der Gesellschafterversammlung beschlossene Ausschüttung als (§ 15a EStG nicht tangierende) Forderungen an die Gesellschafter oder (so das Finanzamt) als eine Rückgewähr von Einlagen und damit als Kapitalkonto (mit entsprechender Erhöhung des lediglich verrechenbaren Verlustes nach § 15a EStG) zu behandeln ist.

 

Entscheidung

Das FG gab der Klage der Gesellschaft statt und entschied, dass sich im Streitfall das Kapitalkonto der Gesellschafter durch die Liquiditätsauszahlung nicht verringert hatte. Denn das gesonderte Entnahmekonto der Gesellschafter, auf das die Auszahlung nach den gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen zu erfassen war, ist kein Kapitalkonto. Im Streitfall hatte die Gesellschaft ein Drei-Konten-System für die Gesellschafterkonten vorgesehen, ein Kapitalkonto I, ein Verlustvortragkonto und ein Gesellschafterverrechnungskonto. Danach wurden zwei Kapitalkonten für jeden Gesellschafter geführt, nämlich das Kapitalkonto I und das Verlustvortragskonto, sowie ein Darlehenskonto, nämlich das Gesellschafterverrechnungskonto, auf dem Einlagen und Entnahmen erfasst werden. Bei dem gesonderten Entnahmekonto handelte es sich nach Auffassung des FG um ein Unterkonto zu dem Gesellschafterverrechnungskonto. Denn die Bezeichnung des Kontos in der Bilanz als "Ausschüttungen an Gesellschafter" ließ ebenso wie der Ausweis im Umlaufvermögen und der Bilanzposition "sonstige Vermögensgegenstände" keine Rückschlüsse auf die Einordnung als Kapital- oder Darlehenskonto der Gesellschafter zu. Hierbei ist zu beachten, dass sich die Rechtsnatur des Gesellschafterkontos maßgeblich nach seiner Ausgestaltung im Gesellschaftsvertrag bestimmt. Bei der erfolgten Liquiditätsauszahlung handelte es sich um eine zulässige Überentnahme, da der Gesellschaftsvertrag die Möglichkeit einer Entnahme bei nicht vorhandenem entnahmefähigem Guthaben ausdrücklich zuließ. Entsprechend der bewussten gesellschaftsvertraglichen Regelung ist der auf dem gesonderten Entnahmekonto gebuchte Saldo daher als Forderung der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter zu bewerten.

 

Hinweis

Nach der Rechtsprechung des BFH ist mit dem Kapitalkonto im Sinne von § 15a EStG das nach steuerrechtlichen Grundsätzen ermittelte Kapitalkonto in der Gesamthandelsbilanz der Gesellschaft zuzüglich gegebenenfalls bestehender Ergänzungsbilanzen der Kommanditisten gemeint. Das Kapitalkonto kann sich aus mehreren Konten mit verschiedenen Bezeichnungen zusammensetzen. Entscheidend für die Beurteilung als Kapitalkonto ist, ob das Konto durch seine Teilhabe an Verlusten der Gesellschaft der gesamthänderischen Bindung unterliegt. Für die Beurteilung der Zugehörigkeit eines Kontos zum Eigenkapital oder zum Fremdkapital kommt es nicht auf die Bezeichnung an. Führt eine Kommanditgesellschaft für die Kommanditisten mehrere Konten mit verschiedenen Bezeichnungen, ist vielmehr anhand des Gesellschaftsvertrags zu ermitteln, welche zivilrechtliche Rechtsnatur diese Konten haben, das heißt, ob sie Eigenkapital oder Forderungen und Verbindlichkeiten ausweisen.

Da das FG die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen und die Finanzverwaltung auch Revision eingelegt hat (Az. beim BFH IV R 41/12), wird der BFH erneut Gelegenheit haben, zu dieser Problematik Stellung zu nehmen.

 

Link zur Entscheidung

FG Hamburg, Urteil vom 10.10.2012, 2 K 171/11

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