Rz. 53

In den Darlehensverträgen unterscheidet sich häufig der Betrag, über den der Darlehensnehmer verfügen kann (Verfügungs-, Ausgabebetrag) von dem Betrag, den er bei Fälligkeit des Darlehens zurückzuzahlen hat (Rückzahlungs-, Erfüllungsbetrag).[1] Bezogen auf den Darlehensnennbetrag, kann es sich bei dieser Differenz um ein Abgeld oder ein Aufgeld (Agio) handeln. Der Unterschiedsbetrag in Form des Abgelds kann wiederum als Disagio oder bei hypothekarisch gesicherten Darlehen als ein Damnum vorliegen. Als wirtschaftlicher Zweck derartiger Vereinbarungen kann insbesondere die "Feineinstellung" des abgerundeten Nominalzinses, die Verringerung der laufenden Zinszahlungen oder die Abgeltung zusätzlicher Dienstleistungen des Kreditgebers aufgeführt werden.

 

Rz. 54

Handelsrechtlich darf der Unterschiedsbetrag zwischen dem Erfüllungsbetrag und dem Ausgabebetrag vom Schuldner unter die aktiven Rechnungsabgrenzungsposten aufgenommen werden (§ 250 Abs. 3 Satz 1 HGB). Das Aktivierungswahlrecht ist im Jahr der Aufnahme der Verbindlichkeit auszuüben. Sofern im Geschäftsjahr der Passivierung der Verbindlichkeit das Disagio nicht abgegrenzt wird, ist das Wahlrecht verwirkt und eine Nachholung der Abgrenzung in einem späteren Geschäftsjahr ausgeschlossen.[2] Wird auf die Ausübung des Wahlrechts verzichtet, ist das Disagio sofort in voller Höhe aufwandswirksam zu erfassen.[3] Weiterhin ist eine sachverhaltsbezogene Wahlrechtsausübung nicht mehr zulässig.[4]

 

Rz. 55

Für die Steuerbilanz besteht beim Schuldner hinsichtlich des Unterschiedsbetrags Aktivierungspflicht.[5] Als Rechtsgrundlage können die BFH-Rechtsprechung zur steuerlichen Wandlung handelsrechtlicher Aktivierungswahlrechte zu Aktivierungspflichten[6] oder die Subsumtion unter die ansatzpflichtigen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten (§ 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG) aufgeführt werden.[7] Die steuerbilanzielle Behandlung dieses Unterschiedsbetrags ergibt sich zum einen aus dem Ziel, eine periodengerechte Gewinnermittlung zu erreichen, und zum anderen aus der Interpretation des Unterschiedsbetrags als zusätzliches Entgelt für die Kapitalnutzung.

 

Rz. 56

Hinsichtlich des Unterschiedsbetrags handelt es sich um eine bei Zufluss des Darlehensbetrags geleistete Ausgabe für eine bestimmte Zeit nach dem Bilanzstichtag. Sind nicht alle Kostenelemente mit dem Damnum abgegolten und hat der Darlehensnehmer zusätzlich Verwaltungs- und/oder Bearbeitungsgebühren bei Darlehensaufnahme gesondert an den Darlehensgläubiger zu zahlen, sind auch diese Beträge aktiv abzugrenzen und auf die Laufzeit des Darlehens zu verteilen.[8] Dagegen sind Provisionszahlungen, die der Darlehensnehmer an einen Dritten für die Vermittlung leistet, sofort abzugsfähige Betriebsausgaben,[9] es sei denn, dass die (Gegen-)Leistung des Dritten ihrerseits zeit-(raum)bezogen ist[10] oder dass in der Leistung an den Dritten auch eine Zuwendung an den Vertragspartner liegt.[11]

 

Rz. 57

Ein Disagio lässt sich von den Ausgabe- bzw. Kreditnebenkosten wie etwa Bankprovisionen und von anderen Kosten der Geldbeschaffung, wozu bspw. Bearbeitungsgebühren oder Verwaltungsgebühren zählen, abgrenzen und ist als laufzeitabhängiger Ausgleich für einen niedrigeren Nominalzinssatz und damit als Vorauszahlung eines Teils der Zinsen anzusehen.[12]

 

Rz. 58

Grundsätzlich gilt das Wahlrecht nicht nur für Disagien, die aus Darlehens- oder Anleiheaufnahmen entstanden sind, sondern für alle Arten von Verbindlichkeiten mit Ausnahme von sog. Zero-Bonds (Null-Kupon-Anleihen).[13] So qualifiziert der BFH auch bei der Abgabe von an der Börse notierten verbrieften festverzinslichen Schuldverschreibungen einen Emissionserlös unter pari (sog. Emissionsdisagio) als Disagio, wofür in der Steuerbilanz ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden ist.[14]

 

Rz. 59

Wird der in der Praxis eher selten vorkommende Fall eines den Ausgabebetrag unterschreitenden Erfüllungsbetrag vereinbart, ist beim Schuldner für das Agio zwingend ein passivischer Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden.[15]

 

Rz. 60

Ein nach § 250 Abs. 3 HGB in den aktiven Rechnungsabgrenzungsposten aufgenommenes Damnum bzw. Disagio ist nach § 268 Abs. 6 HGB in der Bilanz gesondert auszuweisen oder im Anhang anzugeben. Der gesonderte Ausweis kann dabei entweder mittels eines Davon-Vermerks oder als eigenständiger Posten innerhalb der Rechnungsabgrenzungsposten erfolgen.[16] Kleine Kapitalgesellschaften sind nach § 274a Nr. 3 HGB hiervon befreit.

[1] Vgl. hierzu und folgend Federmann, Bilanzierung nach Handelsrecht, Steuerrecht und IAS/IFRS, 12. Aufl. 2010, S. 330 f.
[2] Vgl. Schubert/Waubke, in Grottel u. a., Beck’scher Bilanzkommentar, 2016, § 250 Rz. 40 vgl. ""Darlehen", Rz. 73 ff.", 109 ff.
[3] Vgl. Bertram/Brinkmann/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 2015, § 250 HGB Rz. 18.
[4] Vgl. Bertram/Brinkmann/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 2015, § 250 HGB, Rz. 18.

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