Rz. 129

Im Rahmen der Mengenprüfung wird der in der Bilanz ausgewiesene Bestand von Vermögens-, Schuld-, Eigenkapital- und Verrechnungsposten auf sein tatsächliches Vorhandensein überprüft. Der Abschlussprüfer untersucht die mengenmäßige Kongruenz zwischen Bilanz und Realität aus 2 Richtungen. Zum einen überprüft er, ob der in der Bilanz ausgewiesene Bestand mit der Realität übereinstimmt, und zum anderen, ob die Realität in der Bilanz wiederzufinden ist. In diesem Zusammenhang hat der Abschlussprüfer darauf zu achten, dass der Grundsatz der Vollständigkeit i. S. d. § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB eingehalten wurde und keine Posten Eingang in die Bilanz gefunden haben, die zum Privatvermögen des Kaufmanns gehören (z. B. der ausschließlich privat genutzte Pkw) oder für die Bilanzierungsverbote (z. B. Aufwendungen für die Unternehmergründung) nach § 248 f. HGB gelten.

 

Rz. 130

Im Hinblick auf die Mengenprüfung der Bilanz kommt der Einzelfallprüfung des Inventars und der Systemprüfung der Inventur ein besonderer Stellenwert zu, ohne die eine Bilanz nicht erstellt werden kann (vgl. Rz. 88 ff.). Nach § 240 Abs. 1 und 2 HGB hat der Kaufmann grundsätzlich zu Beginn seiner Handelsgeschäfte und zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres ein Verzeichnis sämtlicher Vermögensgegenstände und Schulden aufzustellen (Inventar) und gem. § 242 Abs. 1 HGB danach die Eröffnungsbilanz bzw. Bilanz zu errichten.[1] Gemäß § 140 f. AO gilt diese Verpflichtung auch in steuerrechtlicher Hinsicht. Grundlage des Inventars ist eine reale Bestandsaufnahme (Inventur). Der Kaufmann stellt im Unternehmen durch Zählen, Messen oder Wiegen fest, welchen Bestand an Einrichtungsgegenständen, Waren, Vorräten, Bargeld usw. er besitzt (körperliche Bestandsaufnahme). Die nicht körperlichen Vermögensgegenstände (immaterielle Werte, Forderungen, Schulden) ermittelt er wertmäßig aufgrund der Buchführung sowie der Belege und fasst sie in Saldenlisten zusammen (Buchinventar). Manche Unternehmer lassen sich den jeweiligen Kontostand am Jahresende durch Kunden und Lieferanten schriftlich bestätigen. Bank- und Postscheckguthaben oder -verbindlichkeiten ergeben sich aus den Kontoauszügen. Diese Art der Kontenabstimmung kommt im Ergebnis einer körperlichen Bestandsaufnahme gleich. Allerdings kann aufgrund einer Inventur (noch) keine Bilanz erstellt werden, da im Rahmen der Bestandsaufnahme eine Erfassung von Rückstellungen und Verrechnungsposten (z. B. Rechnungsabgrenzungsposten und ausstehende Einlagen auf das gezeichnete Kapital) etc. nicht erfolgt.[2]

 

Rz. 131

Im Rahmen der Mengenprüfung von Forderungen und Verbindlichkeiten wird häufig das Instrument der Saldenbestätigung eingesetzt, indem sich der Abschlussprüfer ggf. stichprobenweise den offenen Forderungs- bzw. Verbindlichkeitensaldo zum Bilanzstichtag von den betreffenden Kunden bzw. Lieferanten bestätigen (geschlossene Saldenbestätigung) oder mitteilen (offene Saldenbestätigung) lässt. Darüber hinaus können derartige Bestätigungen Dritter[3] z. B. auch von Kreditinstituten zur Überprüfung von Bankguthaben oder von Rechtsanwälten oder Sachverständigen zur Erfassung von Prozess- oder Umweltrisiken im Rahmen der Rückstellungsbilanzierung nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB eingeholt werden. Ferner spielt der Rückgriff auf Auszüge aus dem elektronischen Handelsregister im Kontext der Überprüfung des Grundkapitals von Aktiengesellschaften nach Maßgabe der Höhe der am jeweiligen Abschlussstichtag gültigen Handelsregistereintragung eine zentrale Rolle.[4] Als letztes Beispiel für Bestätigungen Dritter seien Hauptversammlungsprotokolle genannt, die z. B. Informationen im Hinblick auf die beschlossene Ergebnisverwendungen nach § 58 Abs. 3 AktG liefern.

 

Rz. 132

Der Mengenprüfung schließt sich die Bewertungsprüfung an. In diesem Zusammenhang hat der Abschlussprüfer zu untersuchen, ob die bilanzierten Vermögens- und Schuldposten bzw. das Eigenkapital nach Maßgabe der §§ 252256a HGB bzw. § 272 Abs. 1 Satz 1 HGB unter Beachtung der GoB bewertet wurden.[5] Darüber hinaus ist bei Kapitalgesellschaften und ihnen gesetzlich gleichgestellte Unternehmen zu überprüfen, ob der Jahresabschluss (Bilanz, GuV sowie Anhang) ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage i. S. d. § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB vermittelt. Bei kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften i. S. d. § 264d HGB gehören grundsätzlich die Kapitalflussrechnung und der Eigenkapitalspiegel zu den Pflichtbestandteilen des (erweiterten) Jahresabschlusses. Darüber hinaus können diese Unternehmen den Jahresabschluss um eine Segmentberichterstattung erweitern (weitere Ausführungen unter Rz. 144 ff.).[6] Zusammenfassend zielt die Bewertungsprüfung auf die Einhaltung des Grundsatzes der Bilanzwahrheit ab. Von besonderer Bedeutung ist im Rahmen der Bewertungsprüfung die Untersuchung, ob

  • das Prinzip der Bilanzidentität,[7]
  • das sog. Going-Concern-Prinzip[8] und
  • das Prinzip der Bewertungsmethodenstetigkeit[9] eingehalten wurden.
 

Rz. 133

Während ...

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