Begriff

Der Hersteller oder Lieferant haftet nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) für Personenschäden oder Sachschäden, die eine von ihm in den Verkehr gebrachte Ware beim Abnehmer verursacht. Es handelt sich um eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung. Sie wird u. a. ausgelöst, wenn das Produkt nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände berechtigterweise erwartet werden kann. Der Hersteller hat bei der Produktion verschiedene Verkehrssicherungspflichten und kann bei Einhaltung zumindest die deliktsrechtliche Haftung vermeiden.

Aufwendungen aus der Produkthaftung sind grundsätzlich als Betriebsausgaben abziehbar. Risiken aus Produkthaftung werden in einer Einzelrückstellung ausgewiesen. Die Finanzverwaltung lässt die Bildung von Pauschalrückstellungen nicht zu.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Basis für das Produkthaftungsgesetz ist die "Richtlinie des Rates der europäischen Gemeinschaft 85/374/EWG v. 25.7.1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte." Seit dem 1.1.1990 ist das Produkthaftungsgesetz in Kraft, zuletzt geändert durch Gesetz v. 17.7.2017, BGBl I 2017 S. 2421.

Das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) gilt für das selbstständige "In-den-Verkehr-bringen" und Ausstellen von Produkten im Rahmen einer wirtschaftlichen Unternehmung und schützt nur private Nutzer von Verbraucherprdukten.[1] Zu beachten ist auch das Medizinproduktegesetz (MPG); zur Haftung benannter Stellen im Medizinproduktebereich s. BGH, Urteil v. 22.6.2017, VII ZR 36/14, NJW 2017, S. 2617 (Silikonbrustimplantate), BGH, Urteil v. 27.2.2020, VIII ZR 51/18,VersR 2020 S. 921. Die Vorschrift des § 823 BGB regelt die Produzentenhaftung. Rückstellungen sind in den §§ 249, 274 Abs. 1 HGB geregelt. Steuerrechtliche Besonderheiten finden sich in § 5 Abs. 2 – 5 EStG. Die Bewertung erfolgt nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB und § 6 Abs. 1 Nr. 3, 3a EStG; EuGH, Urteil v. 21.6.2017, Rs. C-621/15, NJW 2017 S. 2739: Zur Befugnis der nationalen Gerichte zur Beweiswürdigung, dass trotz der Feststellung, dass ein Zusammenhang zwischen der Verabreichung des betreffenden Impfstoffs und dem Auftreten der Krankheit, an der der Geschädigte leidet, in der medizinischen Forschung weder nachgewiesen noch widerlegt ist, bestimmte vom Geschädigten geltend gemachte Tatsachen ernsthafte, klare und übereinstimmende Indizien sind, die den Schluss auf das Vorliegen eines Fehlers des Impfstoffs sowie auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen diesem Fehler und der Krankheit zulassen.

Im Koalitionsvertrag 2018 zwischen CDU, CSU und SPD hatten die Parteien vereinbart, "klare Regelungen für die Produkthaftung in der digitalen Welt" aufzustellen. Dabei sollen "Risiko- und Verantwortungssphären für Verbraucher, Hersteller und Provider (…) ausgewogen abgegrenzt werden" Zudem soll auch die Einführung einer gewährleistungsähnliche Herstellerhaftung geprüft werden.

Online überspielte Software stellt nach Auffassung der Europäischen Kommission und der h. M. zurzeit noch kein Produkt i.S.d. § 2 ProdHaftG dar. Die Europäische Kommission plant eine Überarbeitung der Produkthaftungsrichtlinie im Rahmen der Digital Single Market Strategy. Dabei muss geklärt werden, ob Apps, nicht integrierte Software und Produkte auf der Grundlage des Internets Produkte i.S.d. ProdHaftG sind.

Im September 2022 hat die EU-Kommission zwei Vorschläge angenommen, mit denen die Haftungsvorschriften an das digitale Zeitalter angepasst werden sollen. So sollen die bestehenden Vorschriften über die verschuldensunabhängige Haftung von Herstellern für fehlerhafte Produkte (von intelligenten Technologien bis hin zu Arzneimitteln) modernisiert werden. Zudem soll erstmals eine gezielte Harmonisierung der nationalen Haftungsvorschriften für künstliche Intelligenz (KI) erfolgen, um Opfern von Schäden im Zusammenhang mit KI den Erhalt einer Entschädigung zu erleichtern.[2]

Die aktualisierte VO (EU) 2019/2144 schreibt seit Juli 2022 eine ereignisbezogene Datenspeicherung in neuen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen vor. Damit können kritische unfallbezogene Parameter und Informationen kurz vor, während und unmittelbar nach einem Aufprall aufgezeichnet und gespeichert werden. So kann z. B. der Eigentümer des Kfz auf die Daten in unveränderter Form zugreifen, um den Unfallhergang rekonstruieren zu lassen. Dies kann auch für die Überprüfung von Produkthaftungsfragen von Bedeutung sein.[3]

Die ersten Verfahren wegen behaupteter Schäden durch Impfungen gegen SARS-CoV-2 sind zwischenzeitlich anhängig. Auch hier kann die Produkthaftung sowie die Produzentenhaftung zum Tragen kommen.[4]

[1] LG Köln, Urteil v. 17.12.2014, 23 O 481/13: Kein Schaden­ersatz­anspruch eines Gewerbetreibenden wegen Brandes aufgrund exzessiver Nutzung von elektrischen Heizlüftern.
[2] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22_5807; siehe auch Oechsler: Die Haftungsverantwortung für selbstlernende KI-Systeme, NJW 20...

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