Ein digitaler bzw. algorithmenbasierter Forecast (FC) weist zahlreiche Vorteile gegenüber klassischen Forecasts auf, was auch die weite Verbreitung in der Praxis erklärt. Klassische FC-Prozesse leiden bspw. oft unter einem zu hohen manuellen Aufwand und der damit einhergehenden Fehleranfälligkeit oder den unvermeidbaren und von Individualinteressen geprägten politischen Einfärbungen einzelner Stakeholder. Digitale Forecasts sind durch ihre datenbasierte Natur grundsätzlich höher automatisiert und objektiviert.

Die Objektivität der Algorithmen hängt immer von der Auswahl der Datengrundlage ab. Ein in der Presse vielzitiertes Beispiel für einen "nicht objektiven" Algorithmus bezieht sich auf die Bewerberauswahl bei Amazon aus dem Jahre 2018. Hier wurde ein Algorithmus darauf trainiert, Onlinebewerbungen automatisch vorzusortieren und nach geeigneten oder ungeeigneten Kandidatinnen und Kandidaten zu unterscheiden. Die Daten, auf denen der Algorithmus trainiert wurde, basierten zwangsläufig auf Anstellungen vergangener Jahre. In diesen Jahren waren jedoch männliche Bewerber sowohl bei den Kandidaten als auch später bei den tatsächlichen Anstellungen überrepräsentiert. Daraus folgte eine ungewollte, systematische Diskriminierung von Frauen in der Bewerbungsauswahl des Algorithmus, die aus einer historisch gewachsenen und in den Daten repräsentierten Ungleichheit stammte. Derartige systematische Verzerrungen oder neudeutsch "Biases" müssen im Prozess der Datenauswahl immer beachtet werden.

Die Effektivität von algorithmenbasierten Forecasts ist zudem dadurch eingeschränkt, dass singuläre, disruptive Ereignisse nicht antizipiert werden können. Die Stärke der Algorithmen liegt im Erlernen sich wiederholender Muster und nicht im Modellieren einmaliger Anomalien. Ein digitaler Forecast kann einen wirtschaftlichen Einbruch wie nach 9/11 nicht vorhersehen, wenn der Auslöser in der historischen Datengrundlage nie oder kaum zu beobachten ist. Demgegenüber erhält ein Mensch durch die Medien mitunter frühzeitig eine Vorahnung für derartige Entwicklungen. Diese Nachrichten fließen heute nur in den seltensten Fällen in den digitalen Forecast mit ein, da die intelligente Zusammenführung von unstrukturierten und strukturierten Informationen eine hohe Kunst der Modellierung darstellt, die noch keinen vergleichbaren Verbreitungsgrad erreicht hat.

Die genannten Einschränkungen verdeutlichen, dass Predictive-Analytics-Lösungen selten ohne das Fachwissen von Business-Experten die gewünschten Erfolge erzielen können. Die Interaktion zwischen Mensch (Experte) und Maschine (Algorithmus) schafft Stand heute noch immer die besten Ergebnisse. Der Mensch hat im Zusammenspiel mit den Algorithmen eine Kontroll- und Validierungsfunktion und passt die Entscheidungen und Prognosen des Algorithmus, wenn notwendig, mit seinem Wissen an.

Im Folgenden werden Vorgehen, Einsatzgebiete (Case Studies) und technologische Voraussetzungen beschrieben. Der Beitrag schließt mit einer Reflexion der bisher gewonnenen Erkenntnisse und einem Ausblick auf die zu erwartenden nächsten Schritte.

Abb. 2: Traditioneller FC vs. Predictive/Digital FC

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