Leitsatz

Der Ansatz des Pflege-Freibetrags nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG kommt auch dann in Frage, wenn keine körperliche Pflege erfolgte, sondern nur allgemeine Unterstützungsleistungen ausgeführt wurden. Der Pflege-Freibetrag wird nicht anteilig gekürzt, wenn begünstigte Wirtschaftsgüter vermacht werden.

 

Sachverhalt

Der Kläger erhielt von der nicht mit ihm verwandten Verstorbenen als Vermächtnis zwei vermietete Eigentumswohnungen, die gem. § 13c ErbStG mit 90 % des Grundbesitzwerts bei der Berechnung der Erbschaftsteuer angesetzt wurden. Da er der Verstorbenen in den letzten Jahren Pflegeleistungen erbracht hatte, die "regelmäßig alltägliche Besorgungen, Gespräche, menschliche Anteilnahme, Fragen der Heimunterbringung, die übliche Betreuung sowie sämtliche Schriftsachen" umfassten, beantragte er einen Pflege-Freibetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG. Als Berechnungsgrundlage zog er die Vergütung eines Berufsbetreuers (44 EUR pro Stunde) heran, in der Summe 26.480 EUR, sodass er den höchstmöglichen Pflege-Freibetrag von 20.000 EUR begehrte.

Das Finanzamt gewährte einen Pflege-Freibetrag nur für zwei Monate, da nur in dieser Zeit ab Pflegestufe I und vor Aufnahme in vollstationäre Pflege ein Pflege-Freibetrag zu gewähren sei. Dieser Betrag wurde wegen der Begünstigung des Vermächtnisses (nach § 13c ErbStG begünstigte Eigentumswohnungen) nur anteilig (zu 90 %) berücksichtigt (im Verhältnis der "Steuerwerte der Eigentumswohnungen zu den Verkehrswerten"). Die Klage richtete sich gegen die Kürzung sowie die nur anteilige Gewährung des Pflege-Freibetrags.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Klage teilweise statt.

Nach Auffassung des Gerichts bedeutet Pflege i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG einen infolge Krankheit, Behinderung, Alter oder aus einem sonstigen Grund hilfsbedürftigen Menschen die erforderliche Fürsorge für sein körperliches oder seelisches Wohlbefinden zuzuwenden. Dazu ist eine gewisse Regelmäßigkeit und längere Dauer erforderlich. Pflegebedürftigkeit nach § 14 Abs. 1 SGB XI und die Zuordnung zu einer Pflegestufe ist dafür nicht erforderlich.

Pflege ist dabei weiter zu fassen als nach dem SGB XI. Pflege umfasst auch Unterstützungsleistungen bei Haushalt, Botengänge, zwischenmenschlicher Austausch in Gesprächen. Da das Gericht zu der Überzeugung gekommen war, dass der Kläger diese Art Zuwendung der Verstorbenen gegenüber getätigt hatte, steht ihm dem Grunde nach der Pflege-Freibetrag zu.

Zweifel hatte das Gericht aber an dem behaupteten Umfang der Pflege; nach Überzeugung des Gerichts waren die teilweise widersprüchlichen Angaben über den zeitlichen Umfang so getroffen worden, den höchstmöglichen Freibetrag in Anspruch nehmen zu können. Nach eigener Berechnung kam das Gericht zu einer Pflegezeit von 315 Stunden. Als Ansatz für den Pflegeaufwand berücksichtigte das Gericht nicht eine Vergütung nach dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz, sondern orientierte sich an Stundensätzen gemeinnütziger Betreuungsvereine (10 EUR pro Stunde), erhöhte diesen Ansatz aber wegen des Berufs des Klägers (Rechtsanwalt) und wegen der regelmäßig von solchen Vereinen erhobenen Grundgebühren auf 15 EUR pro Stunde.

Eine Kürzung des Pflege-Freibetrags nach § 10 Abs. 6 ErbStG wegen der Begünstigung der vermachten Eigentumswohnungen kommt alleine schon deshalb nicht in Betracht, da der Pflege-Freibetrag keine Schuld oder Last darstellt. Selbst wenn § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG eine solche Last darstellen würde, wäre ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den Grundstücken nicht gegeben.

 

Hinweis

Im ersten Teil des Urteils setzt sich das Gericht mit dem Pflegebegriff i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG auseinander. Entgegen der Auffassung der Verwaltung ist dazu weder eine körperliche Pflege notwendig, noch eine Pflegestufe erforderlich. Ist der Pflege-Freibetrag dem Grunde nach zu gewähren, kommt es zu keiner Kürzung dieses Freibetrags, wenn im Nachlass oder Vermächtnis steuerlich begünstigte Wirtschaftsgüter enthalten sind.

Kritisch hinterfragte das Gericht den Umfang der Pflege, hier müssen plausible Angaben zu dem zeitlichen Umfang der Pflege und der Pflegedauer gemacht werden.

Das Finanzgericht hat Revision gegen das Urteil zugelassen, da der Begriff der "Pflege" i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG noch nicht höchstrichterlich definiert sei.

 

Link zur Entscheidung

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 06.07.2012, 11 K 4190/11

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