Die Bildung einer Rückstellung ist nur dann zulässig und geboten, wenn zum Bilanzstichtag ernsthaft mit einer Inanspruchnahme zu rechnen ist. Dazu ist es nach Auffassung des BFH nicht erforderlich, dass der geschädigte Patentinhaber in irgendeiner Weise reagiert hat. Folglich muss der Bilanzierende auch nicht darlegen und beweisen, dass die Patentverletzung dem Berechtigten bekannt geworden ist oder die Kenntniserlangung unmittelbar bevorsteht.[1] Vielmehr darf für den Fall, dass eine Verbindlichkeit wegen Patentverletzung dem Grunde nach besteht, i. d. R. unter Kaufleuten davon ausgegangen werden, dass die Geltendmachung des Anspruchs durch den Gläubiger bzw. Rechteinhaber auch wahrscheinlich ist. Etwas anderes gilt, wenn eine Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme im Einzelfall nicht gegeben ist, weil z. B. geschäftliche Gründe einer Inanspruchnahme entgegenstehen.[2]

 
Praxis-Beispiel

Bildung einer Rückstellung für eine Patentverletzung

Die X-GmbH stellt technische Gebrauchsartikel für Haushalt und Handwerk her. In ihrer Bilanz zum 31.12.01 hat sie Rückstellungen wegen der Verletzung fremder Patent- und Schutzrechte i. H. v. 188.478 EUR ausgewiesen.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, dass von keinem Rechtsinhaber Ansprüche gegen die X-GmbH geltend gemacht worden sind. Deshalb vertrat der Prüfer die Ansicht, dass hinsichtlich der Rechtsverletzungen nicht ernsthaft mit einer Inanspruchnahme gerechnet werden müsse und deshalb die Rückstellungen zu Unrecht gebildet worden seien. Zudem seien Rückstellungen für dieselben Patentverletzungen schon in den Bilanzen der Vorjahre ausgewiesen gewesen.

Das Finanzamt schloss sich der Auffassung des Außenprüfers an. Nach erfolgloser Klage ging die X-GmbH in Revision. Der BFH[3] hob das Finanzgerichtsurteil auf. Seiner Auffassung nach sind die Rückstellungen zulässig.

Der BFH ordnete die Patentverletzungen im Streitfall der 2. Fallgruppe zu. Die Bildung der streitigen Rückstellungen war daher nur dann zulässig, wenn zum Bilanzstichtag 31.12.01 ernsthaft mit einer Inanspruchnahme zu rechnen war. Dazu war nach Auffassung des BFH nicht erforderlich, dass der geschädigte Patentinhaber in irgendeiner Weise reagiert hat. Die Klägerin als Verpflichtete musste auch nicht darlegen und beweisen, dass die Patentverletzung dem Berechtigten bekannt geworden ist oder die Kenntniserlangung unmittelbar bevorstand. Wenn eine Verbindlichkeit wegen Patentverletzung dem Grunde nach besteht, so darf im Allgemeinen unter Kaufleuten davon ausgegangen werden, dass die Geltendmachung des Anspruchs durch den Gläubiger auch wahrscheinlich ist.[4]

Buchungsvorschlag:

 
Konto SKR 03/04 Soll Kontenbezeichnung Betrag Konto SKR 03/04 Haben Kontenbezeichnung Betrag
4900/6300 Sonstige betriebliche Aufwendungen 188.478 0970/3070 Sonstige Rückstellungen 188.478

Eine nach der 2. Fallgruppe gebildete Rückstellung ist nach § 5 Abs. 3 Satz 2 EStG spätestens in der Bilanz des dritten auf ihre erstmalige Bildung folgenden Geschäftsjahres gewinnerhöhend aufzulösen, wenn Ansprüche nicht geltend gemacht worden sind. Diese Vorschrift gilt nur für die Steuerbilanz, jedoch nicht für die Handelsbilanz. Dort ist die Rückstellung solange beizubehalten, wie die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme gegeben ist.

Nach R 5.7 Abs. 10 Satz 3 EStR bezieht sich das Auflösungsgebot in § 5 Abs. 3 EStG auf alle Rückstellungsbeträge, die wegen der Verletzung ein und desselben Schutzrechts passiviert worden sind. D.h., wenn ein Patent in mehreren Jahren verletzt wird, so bestimmt sich der Ablauf der Auflösungsfrist demnach nach dem Zeitpunkt, zu dem aufgrund einer Rechtsverletzung erstmalig eine Rückstellung gebildet wurde.

Ist also beispielsweise zum 31.12.01 zum ersten Mal eine Rückstellung wegen Verletzung eines bestimmten Patents gebildet worden, so ist diese Rückstellung auch dann insgesamt in der Bilanz auf den 31.12.04 aufzulösen, wenn dasselbe Patent in den Jahren 02 und 03 ebenfalls verletzt und der Rückstellung deswegen weitere Beträge zugeführt worden sind.[5]

Gemäß R 5.7 Abs. 10 Satz 4 EStR sind nach Ablauf der 3-Jahresfrist weitere Rückstellungen wegen Verletzung desselben Schutzrechts nicht zulässig, solange Ansprüche nicht geltend gemacht worden sind.

 
Praxis-Beispiel

Rückstellungsauflösung

Zum 31.12.01 wurde zum 1. Mal eine Rückstellung wegen Verletzung eines bestimmten Patents in Höhe von 150.000 EUR gebildet.

Folge:

Diese Rückstellung ist auch dann insgesamt in der Bilanz auf den 31.12.04 aufzulösen, wenn dasselbe Patent in den Jahren 02 und 03 ebenfalls verletzt worden ist und der Rückstellung deswegen weitere Beträge zugeführt wurden. Die weitere Konsequenz hieraus ist, dass nach Ablauf der 3-Jahresfrist weitere Rückstellungen wegen der Verletzung desselben Schutzrechts nicht zulässig sind, solange die Ansprüche nicht geltend gemacht worden sind.

Buchungsvorschlag:

 
Konto SKR 03/04 Soll Kontenbezeichnung Betrag Konto SKR 03/04 Haben Kontenbezeichnung Betrag
0970/3070 Sonstige Rückstellungen 150.000 2735/4930 Ert...

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