Leitsatz

1. Die Übernahme von ausgedienten Strahlenquellen durch einen inländischen Unternehmer im Ausland kann im Verhältnis zu den in diesem Zusammenhang erbrachten weiteren Leistungen als Hauptleistung anzusehen sein, die gem. § 3a Abs. 1 S. 1 UStG im Inland ausgeführt wird.

2. Bei dem Ausbau und der Übernahme von Strahlenquellen handelt es sich nicht um Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen i.S.v. § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c UStG.

3. Der Ausbau und die Übernahme von Strahlenquellen als maßgebliche Hauptleistung gehören nicht zu den Tätigkeiten, die im Rahmen des Ingenieurberufs hauptsächlich und gewöhnlich erbracht werden.

 

Normenkette

§ 3a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c, § 3a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 3, § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1999/2005, § 96 Abs. 1, § 118 Abs. 2, § 121 S. 1 FGO, Art. 9 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. c und e der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Eine GmbH übernahm Strahlenquellen von im Ausland ansässigen Auftraggebern und beförderte diese ins Inland, wo sie z.T. entsorgt, z.T. wiederverwertet wurden. Dies umfasste Leistungen wie Einholung von Genehmigungen, Bereitstellung von Spezialcontainern, Ausbau und Umladung der Strahlenquelle in den Container und mit Besitzübergang auf die GmbH, Abtransport des Containers aus dem Bestrahlungsraum, Freimessung, (Gefahrgut-)Transporte einschließlich Versicherung.

Umstritten war der Leistungsort; das FA, bestätigt durch das FG, beurteilte die Leistungen als einheitlich und als Schwerpunkt die Übernahme der Strahlenquelle, nicht dagegen die in 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c S. 1 oder Abs. 4 Nr. 3 UStG bezeichneten Leistungen (Sächsisches FG, Urteil vom 11.11.2009, 1 K 1237/08, Haufe-Index 2257668, EFG 2010, 1362).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Würdigung des FG bestätigt, die Übergabe der Strahlenquelle an einen zertifizierten Abnehmer sei aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers bei diesem Sachverhalt Hauptzweck der Leistung, während die anderen Leistungen (die Arbeit an den Geräten zum Ausbau und die damit zusammenhängenden Leistungen von Ingenieuren, auch wenn deren Beteiligung dabei vorgeschrieben sei) nur Nebenleistungen seien.

 

Hinweis

1. Liegt eine grenzüberschreitende Leistung vor, entscheidet der Leistungsort über die Steuerbarkeit. Wird ein Teil der Leistungen im Inland erbracht, ist zunächst entscheidend, ob eine einheitliche Leistung vorliegt: die Kriterien sind bekannt. Erforderlich ist eine Gesamtbetrachtung aus Sicht des "Durchschnittsverbrauchers", eine "gedankliche Perspektive" (BFH, Urteil vom 17.04.2008, V R 39/08, BFH/NV 2008, 1712), die keine statistische Grundlage erfordert; vielmehr müssen sich Gerichte (wie Verwaltung) bei der Frage, wie ein Durchschnittsverbraucher den Sachverhalt beurteilen würde, auf ihre eigene Urteilsfähigkeit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zu den unionsrechtlichen Vorgaben verlassen. Die Beurteilung, ob eine einheitliche Leistung vorliegt, ist daher im Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung durch das FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Zu fragen ist zunächst, ob die Leistungen in einem Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung stehen, andernfalls, ob sie so zusammenhängen, dass ihre Trennung, wenn sie aus einer Hand kommen, wirklichkeitsfremd wäre. Zu beachten ist auch die Rechtsprechung des EuGH zur "komplexen Leistung" z.B. bei der Abfallentsorgung.

2. Mit "Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen" und "Begutachtung dieser Gegenstände" (§ 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c S. 1 UStG) wird im Allgemeinen ein Eingriff in bewegliche körperliche Gegenstände bezeichnet, der grundsätzlich nicht wissenschaftlicher oder intellektueller Natur ist. Dazu gehören insbesondere Reparatur- und Wartungsarbeiten an Maschinen und sonstigen beweglichen Sachen. Voraussetzung für die Anwendung der Leistungsortsbestimmung nach § 3a Abs. 2 UStG ist bei Leistungen mit mehreren Leistungsbestandteilen (einheitliche Leistung), dass diese sich aufgrund ihres wesentlichen Inhalts als eine Leistung i.S.d. Regelung charakterisieren lässt.

3. Gleiches gilt für Leistungen i.S.d. § 3a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 3 UStG. Entscheidend ist, ob die betreffenden Leistungen zu den Leistungen gehören, die hauptsächlich und gewöhnlich im Rahmen der genannten Berufe erbracht werden. Die Ausübung des Ingenieurberufs ist dadurch gekennzeichnet, Kenntnisse und bestehende Prozesse auf konkrete Probleme anzuwenden sowie neue Kenntnisse zu erwerben und neue Prozesse zur Lösung dieser und neuer Probleme zu entwickeln. Dies ist insbesondere der Fall, wenn auf der Grundlage natur- und technikwissenschaftlicher Erkenntnisse und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange technische Werke geplant, konstruiert oder ihre ­Fertigung überwacht wird oder aufgrund dieser Kenntnisse konkrete Probleme gelöst oder entwickelt werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 13.01.2011 – V R 63/09

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