Rz. 268

Eine finanzielle Eingliederung liegt vor, wenn dem Organträger die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Organgesellschaft zusteht, sodass der Organträger im Rahmen der Willensbildung der Organgesellschaft seinen eigenen Willen bei der Organgesellschaft durchsetzen kann. Im Interesse der Rechtsklarheit sollen Stimmbindungsvereinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten grundsätzlich ohne Bedeutung bleiben. Stimmbindungsvereinbarungen und Stimmrechtsvollmachten können bei der Prüfung der finanziellen Eingliederung nur zu berücksichtigen sein, wenn sie sich ausschließlich aus Regelungen der Satzung wie etwa bei einer Einräumung von Mehrfachstimmrechten ("Geschäftsanteil mit Mehrstimmrecht") ergeben.[1] Sofern die Stimmrechtsverhältnisse den Beteiligungsverhältnissen entsprechen, ist eine finanzielle Eingliederung gegeben, wenn die Beteiligung mehr als 50 % beträgt.

 

Rz. 269

Nach Rechtsprechungsänderung liegt keine finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft mehr in eine Personengesellschaft vor, wenn sich die Anteile nicht im Besitz der Personengesellschaft, sondern sich im Eigentum der Gesellschafter der Personengesellschaft befinden.[2] Für Altfälle lässt die Finanzverwaltung eine Anwendung bis zum 31.12.2011 zu.[3]

 

Rz. 270

Die finanzielle Eingliederung einer Personengesellschaft setzt voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 bs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, sodass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei der stets möglichen Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gewährleistet ist.[4]

 

Rz. 271

Eine finanzielle Eingliederung kann sowohl durch eine unmittelbare als auch durch eine mittelbare Beteiligung erreicht werden. Die Stimmenmehrheit an der Organgesellschaft liegt bei einer mittelbaren Beteiligung vor, wenn die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft mittelbar erst über eine Beteiligung als Gesellschafter an einer ebenfalls mit Stimmenmehrheit beherrschten Gesellschaft erreicht wird, die unmittelbar an der Organgesellschaft als Gesellschafter mit Stimmenmehrheit beteiligt ist. Die finanzielle Eingliederung kann auch erreicht werden, indem eigene Anteile an der Organgesellschaft mit den Anteilen der Beteiligungsgesellschaft an der Organgesellschaft zusammengerechnet werden. Eine Zusammenrechnung mit den mittelbaren Anteilen an der Organgesellschaft wird steuerlich aber nur anerkannt, wenn an der vermittelnden Beteiligungsgesellschaft die Mehrheit der Stimmrechte bestehen.[5]

 

Rz. 272

Im Umsatzsteuerrecht gibt es keine Regelung zur sog. Mehrmütterorganschaft, sodass diese bei der umsatzsteuerlichen Organschaft anzuerkennen sein könnte.[6] Der Nichtanwendungserlass[7] der Finanzverwaltung aufgrund der geänderten Rechtsprechung des BFH[8] zur Mehrmütterorganschaft betrifft nicht die umsatzsteuerliche Organschaft. Eine Mehrmütterorganschaft bei der Umsatzsteuer lehnte der BFH[9] aber ebenfalls ab, da eine Organgesellschaft nicht gleichzeitig in Unternehmen verschiedener Organträger eingegliedert sein kann.

[2] Vgl. u. a. BFH, Urteil v. 22.4.2010, V R 9/09, BStBl 2010 II S. 597; BFH, Urteile v. 1.12.2010, XI R 43/08, BStBl 2011 II S. 600; V R 62/09, BFH/NV 2011, S. 79; Korn, in Bunjes, UStG Kommentar, § 2 UStG Rz. 119.
[5] Vgl. Forster/Vogel, UStB 2002, S. 228; siehe auch Müller/Detmering/Lieber, Die Organschaft, 11. Aufl. 2019, S. 328 f. Rz. 1220 ff.
[6] Vgl. Prinz, FR 2002, S. 71; a. A.: Wäger, in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, Abschn. I C. Organschaft Rz. 105, Stand: 9/2019, der die Möglichkeit eines Organschaftsverhältnisses zu mehreren Organträgern verneint; ebenso: Müller/Detmering/Lieber, Die Organschaft, 11. Aufl. 2019, S. 326 f. Rz. 1218 f.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge