Rz. 187

Liegt mindestens eine Voraussetzung der Organschaft von Beginn des Organschaftsverhältnisses an nicht vor oder entfällt während des Organschaftsverhältnisses eine der Voraussetzungen der Organschaft, weil z. B. die Organgesellschaft entgegen § 301 AktG vorvertragliche offene und versteuerte Rücklagen an den Organträger abführt und somit der Gewinnabführungsvertrag nicht durchgeführt ist, spricht man von "verunglückter" Organschaft. Bei dem nachträglichen Wegfall einer Voraussetzung ist entscheidend, ob das Organschaftsverhältnis zuvor mindestens 5 Jahre korrekt bestanden hat, da sonst die zwischenzeitlichen Einkommens- oder Verlustübernahmen von Anfang an und nicht erst vom Zeitpunkt des Wegfalls einer Voraussetzung zu revidieren wären.[1]

 

Rz. 188

Der BFH[2] hat aber in 2 jüngeren Urteilen entschieden, dass während der 5-jährigen Mindestlaufzeit des Gewinnabführungsvertrags nicht stets alle Tatbestandsvoraussetzungen der Organschaft erfüllt sein müssen. Trotz einer so genannten "Organschaftspause" zum Beispiel für ein Jahr sei die Organschaft für die übrigen Jahre dennoch anzuerkennen, wenn der Gewinnabführungsvertrag tatsächlich durchgeführt wird und eine Mindestlaufzeit von 5 Zeitjahren vereinbart wurde. Danach ist die ertragsteuerliche Organschaft bei ununterbrochener Durchführung des Gewinnabführungsvertrags anzuerkennen, wenn in einzelnen Jahren der Mindestlaufzeit die Organschaft z. B. mangels finanzieller Eingliederung zu versagen sei. Lediglich in den Jahren der fehlenden finanziellen Eingliederung sei die Organschaft zu versagen und müsse für die übrigen Jahre anerkannt werden.[3] Diese jüngere Rechtsentwicklung kann damit auch gegebenenfalls steuergestalterisch – z. B. zur Nutzung eines vororganschaftlichen Verlustvortrages bei der Organgesellschaft – eingesetzt werden, um eine Organschaftspause einzulegen, ohne die Organschaft für die übrigen Jahre abzuerkennen.

 

Rz. 189

Im Fall der "verunglückten" Organschaft hat die Organgesellschaft ihr Einkommen selbst zu versteuern. Die aufgrund der körperschaftsteuerlichen Organschaft durchgeführten Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuerveranlagungen sind gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern. Soweit die Gewinnabführung an den Organträger dem Einkommen der Organgesellschaft wieder zuzurechnen ist, hat die Organgesellschaft das Einkommen auch zu versteuern. Die durchgeführte Gewinnabführung an den Organträger wird als verdeckte Gewinnausschüttung qualifiziert. Dementsprechend stellen die abgeführten Gewinne bei dem Organträger Betriebseinnahmen dar, die zu versteuern sind. Die verdeckte Gewinnausschüttung ist auf Ebene des Organträgers gem. §§ 8b Abs. 1, 5 KStG zu 95 % steuerbefreit, wenn der Organträger eine Kapitalgesellschaft ist. Sofern natürliche Personen an einer Organträger-Personengesellschaft beteiligt sind, ist die verdeckte Gewinnausschüttung gemäß § 3 Nr. 40 EStG ab Veranlagungszeitraum 2009 zu 60 % steuerpflichtig.

 

Rz. 190

Liegen die Voraussetzungen der Organschaft im Falle einer Verlustübernahme durch den Organträger nicht vor, ist in Höhe der Verlustübernahme eine Aktivierung auf dem Beteiligungskonto als "nachträgliche Anschaffungskosten" vorzunehmen.[4] Steuerlich kann die herrschende Gesellschaft den Verlust des Tochterunternehmens mit Hilfe einer eventuell zulässigen Teilwertabschreibung geltend machen, wobei die Restriktionen für Körperschaften gem. § 8b Abs. 3 KStG und für natürliche Personen gem. § 3c Abs. 2 EStG zu beachten sind.

 

Rz. 191

Grundsätzlich ist jede vorzeitige Beendigung des Gewinnabführungsvertrags steuerschädlich, sodass die Organschaft steuerlich aberkannt wird – entweder vom Zeitpunkt der wirksamen Kündigung oder dem Aufhebungszeitpunkt oder von Beginn an, wenn die 5-jährige Mindestlaufzeit noch nicht erfüllt ist. Eine vorzeitige Beendigung des Gewinnabführungsvertrags ist gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 KStG dann steuerlich unschädlich, wenn die Beendigung auf wichtigem Grunde beruht. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist ein wichtiger Grund insbesondere in der Veräußerung oder Einbringung der Organbeteiligung durch den Organträger, der Umwandlung, Verschmelzung oder Liquidation des Organträgers oder der Organgesellschaft zu sehen. Demgegenüber sieht das OLG Düsseldorf[5] die Veräußerung von Anteilen an der Organgesellschaft zivilrechtlich nicht als wichtigen Kündigungsgrund, sodass die Veräußerung von Anteilen an der Organgesellschaft als wichtiger Kündigungsgrund direkt in den Gewinnabführungsvertrag mit aufgenommen werden sollte. Als wichtiger Kündigungsgrund ist vom BFH[6] jedenfalls eine konzerninterne Veräußerung der Organbeteiligung abgelehnt worden, sodass die Folge eine verunglückte Organschaft wäre.[7]

 

Rz. 192

Da bei der umsatzsteuerlichen Organschaft eine entsprechende 5-Jahres-Bindung nicht besteht, wirkt sich der Wegfall einer Voraussetzung nur auf den Veranlagungszeitraum aus, in dem die Veränderung erstmals auftritt.

[1] Vgl. Müller/Detmering/Lieber, Die Organschaft, 11. Aufl. 2019, S. 220 ff. R...

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