Leitsatz (amtlich)

Die in Bausparverträgen verwendete Allgemeine Geschäftsbedingung, "Die Bausparkasse ist berechtigt, einen Bausparvertrag vor Auszahlung des Bauspardarlehens zu kündigen, wenn (...) b) seit dem 1. des Monats, in dem der Bausparvertrag geschlossen wurde, mindestens 15 Jahre vergangen sind und die Bausparkasse dem Bausparer mindestens 6 Monate vor Ausspruch der Kündigung ihre Kündigungsabsicht mitgeteilt hat.", ist gemäß § 307 BGB unwirksam, da sie den Bausparer auch bei Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Bausparkasse und der Gemeinschaft der Bausparer unangemessen benachteiligt.

 

Normenkette

BGB § 307

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 16.11.2017; Aktenzeichen 11 O 218/16)

 

Tenor

  • 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 16. November 2017 (Az.: 11 O 218/16) wird

    zurückgewiesen.

  • 2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
  • 3. Dieses Urteil und das angegriffene landgerichtliche Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

    Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers aus dem Unterlassungstenor durch Sicherheitsleistung in Höhe 30.000,- EUR und diejenige aus dem Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung wegen des Unterlassungsanspruchs Sicherheit in Höhe von 30.000,- EUR und vor derjenigen aus dem Kostenpunkt Sicherheit in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages leistet.

  • 4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert für beide Rechtszüge: 30.000,- EUR,

 

Gründe

I. Der Kläger bekämpft eine AGB-Klausel der Beklagten, gestützt auf das UKlaG.

Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 16. November 2017 (Az.: 11 O 218/16) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Ordnungsmittelandrohung verurteilt, es zu unterlassen, die AGB-Klausel

"Die Bausparkasse ist berechtigt, einen Bausparvertrag vor Auszahlung des Bauspardarlehens zu kündigen, wenn

(...)

b) seit dem 1. des Monats, in dem der Bausparvertrag abgeschlossen wurde, mindestens 15 Jahre vergangen sind und die Bausparkasse dem Bausparer mindestens 6 Monate vor Ausspruch der Kündigung ihre Kündigungsabsicht mitgeteilt hat."

oder eine inhaltsgleiche Klausel gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit dem Abschluss von Bausparverträgen zu verwenden oder sich auf diese Klausel zu berufen.

Das Landgericht führt hierzu aus:

Die angegriffene Klausel § 14 Abs. 1 b) ABB sei nicht bereits gemäß § 309 Nr. 4 BGB unwirksam. Sie weiche nicht von einer gesetzlichen Obliegenheit ab, zu mahnen oder eine Frist zu setzen.

Sie verstoße jedoch gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB aus dem Gesichtspunkt der Vertragszweckgefährdung. Eine geltungserhaltende Reduktion sei verboten, so dass die Klausel insgesamt unwirksam sei.

Ein jederzeitiges Kündigungsrecht gemäß § 488 Abs. 3 BGB sei für die Zeit der Ansparphase bei Bausparverträgen regelmäßig stillschweigend abbedungen (vgl. BGH, Urt. v. 21.02.2017 - XI ZR 185/16, Rn. 24 f.) und so auch hier.

Das gesetzliche Kündigungsrecht in § 489 BGB sehe jedoch für den von § 14 Abs. 1 b) ABB erfassten Fall der fehlenden Zuteilungsreife (vgl. LGU Ziff. III. 2. b der Entscheidungsgründe) kein Kündigungsrecht und für den von § 14 Abs. 1 b) ABB ebenfalls erfassten Fall der unterbliebenen Annahme der Zuteilung (vgl. dort Ziff. III. 2. a) in § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ein Kündigungsrecht erst 10 Jahre nach Erlangung der erstmaligen Zuteilungsreife vor (vgl. BGH, Urt. v. 21.02.2017 - XI ZR 185/16, Rn. 76 ff.).

§ 314 Abs. 1 BGB, der ein weiteres Kündigungsrecht vor Zuteilungsreife eröffne, setze einen wichtigen Grund sowie gemäß § 314 Abs. 2 BGB den Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder eine Abmahnung voraus. Diese Kündigungsmöglichkeit erweitere § 14 Abs. 1 b) ABB, was noch nicht per se unangemessen sei (§ 5 Abs. 3 Nr. 7 BauSparkG; Urt. v. 21.02.2017 - XI ZR 185/16, Rn. 62).

Die gebotene umfassende Würdigung der betroffenen Interessen führe hier zu einer Unangemessenheit (vgl. zum Maßstab BGH, Urteile vom 01.02.2005 - X ZR 10/04, Rn. 36; vom 24.03.2010 - VIII ZR 178/08, Rn. 26 und vom 17.04.2012 - X ZR 76/11, Rn. 10). Auszugehen sei von Gegenstand, Zweck und Eigenart des Vertrags (vgl. BGH, Urt. v. 08.01.1986 -VIII ARZ 4/85, Rn. 15). Der generelle Prüfungsmaßstab schließe es nicht aus, Besonderheiten des jeweiligen Vertragstyps oder Unterschiede in den Interessenlagen zu berücksichtigen, soweit diese verallgemeinerungsfähig und typisierbar seien.

Bausparen sei nach § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 und § 3 BauSparkG sowie der Präambel der ABB ein zielgerichtetes Sparen, um für wohnungswirtschaftliche Maßnahmen ein Darlehen beanspruchen zu können ohne eine Pflicht, das Bauspardarlehen tatsächlich in Anspruch zu nehmen (§ 5 ABB). Der Bausparer erwerbe eine Optio...

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