Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhaltsanspruch eines volljährigen behinderten Kindes – Vermögenseinsatz Beschränkung oder Wegfall der Unterhaltspflicht. Unterhalt

 

Leitsatz (amtlich)

Ein schwerbehindertes volljähriges Kind, welches seinen angemessenen Bedarf (§ 1610 Abs. 1 BGB) selbst zu decken nicht in der Lage ist, darf, wenn ungewiß ist, ob sein Unterhaltsbedarf im Alter durch Unterhaltsleistungen der Eltern gedeckt werden kann, maßvoll Vermögen bilden. Es kann aus diesem Grunde auch nicht darauf verwiesen werden, seinen im Verhältnis zu den unterhaltspflichtigen Eltern gleichfalls maßvollen Vermögensstamm anzugreifen.

 

Normenkette

BGB §§ 1601, 1602 Abs. 2, § 1610 Abs. 1, § 1611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Karlsruhe (Urteil vom 14.10.1998; Aktenzeichen 4 F 175/96)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – … vom 14.10.1998 (4 F 175/96) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der am 05.10.1969 geborene Kläger nimmt den Beklagten, dessen eheliches Kind er ist, im Betragsverfahren einer Stufenklage auf Unterhalt in Anspruch.

Die Ehe seiner Eltern wurde im Jahre 1986 geschieden. Der Beklagte ist geschäftsführender Gesellschafter der … GmbH und verfügt über ein überdurchschnittlich hohes Einkommen.

Der Kläger war nach Abschluß seiner Berufsausbildung erwerbstätig und erzielte ein durchschnittliches Monatsnettoeinkommen von 1.600,00 DM bis 1.700,00 DM. Am 28.05.1992 erlitt er durch einen von ihm in alkoholisiertem Zustande verursachten Unfall ein Schädel-Hirn-Trauma. Dieses führte zur Beeinträchtigung von Gehirnfunktionen und Schädigungen des Bewegungsapparates. Mit Beschluß des Vormundschaftsgerichts … vom 21.12.1992 wurde aus diesem Grunde eine umfassende Betreuung angeordnet, welche mit Beschluß vom 22.08.1996 wieder aufgehoben werden konnte.

Vor dem Unfall und nach seiner ersten Entlassung aus der Rehabilitationsklinik lebte er bei seinem Vater, welcher ihn nach dem Unfall versorgte. Zum Jahreswechsel 1993/1994 wechselte er in den Haushalt seiner Mutter und deren Ehemann über. Von ihr wird er seit dem betreut.

Im Mai 1992 verfügte der Kläger über ein Kapitalvermögen von 20.300,00 DM, welches bis September 1996 auf 86.000,00 DM anwuchs. Später erwarb er eine fremd vermietete Eigentumswohnung. Der Kaufpreis von 135.000,00 DM wurde mit Eigenkapital von 80.000,00 DM und Fremdmitteln finanziert. Den Mieteinnahmen von 700,00 DM stehen monatliche Zins- u. Tilgungsleistungen von 1.000,00 DM gegenüber.

Für den Kläger wird seitens der AOK ein Pflegegeld der Stufe III von 1.300,00 DM im Monat gezahlt. Ferner bezieht er eine Erwerbsunfähigkeitsrente von monatlich 1.647,56 DM, von welcher 65,68 DM für die turnusmäßige Überprüfung der Pflegestufe und die Beiträge für die Kranken-, Unfall- und Privathaftpflichtversicherung bezahlt werden.

Der Beklagte wurde in der Auskunftsstufe mit rechtskräftigem Teilurteil des Familiengerichts vom 18.12.1996 zur Auskunftserteilung verurteilt.

Der Kläger hat in dem sich anschließenden Betragsverfahren vorgetragen, daß er noch immer derart beeinträchtigt sei, daß er einer Vollzeitpflege bedürfe. Bei der Einnahme der Mahlzeiten, der Körperpflege und den Gängen zur Toilette sei er auf die Anwesenheit einer Person angewiesen, die Hilfe leisten könne. Lediglich bei ganz kurzen Strecken benötige er keinen Rollstuhl. Die Erwerbsunfähigkeitsrente und das Pflegegeld deckten bei weitem nicht den aufgrund seiner Behinderung gegebenen Bedarf. Dieser belaufe sich insgesamt auf 5.820,00 DM im Monat. Aus diesem Grunde habe ihm der Ehemann seiner Mutter 50.000,00 DM als Darlehen gegeben. Seine Mutter könne ihm keinen Unterhalt zahlen, da sie über kein eigenes Einkommen verfüge. Sie sei zwar Eigentümerin eines Hauses, in welchem eine Wohnung vermietet sei. Die hierdurch erzielte Miete übersteige jedoch die Zins- u. Tilgungsleistungen für den Ausbau und die Reparaturen des Hauses. Da sie ihn pflege, gehe sie keiner Erwerbstätigkeit nach.

Der Kläger hat beantragt.

den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen monatlichen Kindesunterhalt zu bezahlen i. H. v. 2.000,00 DM und zwar ab 01.04.1996; die rückwirkenden Beträge seien sofort zu zahlen, die laufenden Beträge jeweils monatlich im voraus, spätestens bis zum dritten Werktag eines jeden Monats.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, der Kläger mache in seiner Selbständigkeit Fortschritte und könne sich zunehmend ohne Gehhilfe bewegen. Er benötige auch keine Hilfe mehr beim Waschen, Essen und den Gängen zur Toilette. Der Kläger sei auch nicht bedürftig. Das Pflegegeld und die Erwerbsunfähigkeitsrente seien bedarfsdeckend. Insbesondere fielen keine Aufwendungen von monatlich 5.820,00 DM an. Er bestreitet, daß der Kläger von dem Ehemann seiner Mutter ein Darlehen über 50.000,00 DM erhalten habe. Aus dem Kapitalvermögen von 86.000,00 DM hätte der Kläger Zinseinkünfte von monatlich 300,00 DM – 400,00 DM erzielen...

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