Entscheidungsstichwort (Thema)

Beginn der Ausschlagungsfrist für den minderjährigen Erben

 

Leitsatz (amtlich)

Die in § 1944 BGB vorgesehene Frist zur Ausschlagung der Erbschaft beginnt für den minderjährigen Erben erst mit dem Zeitpunkt, zu dem der letzte von den gemeinsam Erziehungsberechtigten erstmals Kenntnis von dem Anfall und dem Grunde der Berufung erlangt hat.

 

Normenkette

BGB § 1944

 

Verfahrensgang

AG Limburg a.d. Lahn (Beschluss vom 16.11.2011; Aktenzeichen 31 VI 424/11)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des AG Limburg an der Lahn vom 16.11.2011 abgeändert. Der Antrag des Beteiligten zu 1) vom 27.7.2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens erster Instanz trägt der Beteiligte zu 1).

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die am ... 2007 in ... verstorbene Erblasserin war zunächst in erster Ehe verheiratet mit dem zuvor verstorbenen Ehemann1.

Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor, nämlich der am ... 1981 kinderlos verstorbene A, der am ... 1961 geborene, während des Beschwerdeverfahrens ebenfalls verstorbene B, der am ... 1963 geborene C sowie der am ... 1966 geborene D. Letzterer ist mit Frau E verheiratet. Er hat deren voreheliches Kind, den am ... 2002 geborenen Beteiligten zu 2), adoptiert. Ferner ist er Vater von F, die am ... 1988 geboren worden ist.

Zum Zeitpunkt ihres Todes war die Erblasserin mit dem Beteiligten zu 1) im Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. Aus der Ehe ging ein Sohn, nämlich der am ... 1973 geborene G, hervor. Dieser ist Vater eines am ... 2009 geborenen Kindes.

Mit am 9.10.2007 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz erklärten die Herren G, D sowie C die Erbausschlagung (vgl. Bl. 29 ff. d.A.). Daraufhin erließ das AG antragsgemäß einen Erbschein, wonach der Beteiligte zu 1) und B jeweils zur Hälfte Erben der Erblasserin seien (vgl. Bl. 62 d.A.).

Später erfuhr das AG von den Nachkommen der die Erbschaft ausschlagenden Herren G und D. Daraufhin zog das Gericht den erteilten Erbschein mit Beschluss vom 26.11.2009 ein (Bl. 111 d.A.). Zugleich informierte es mit Verfügung vom 26.11.2009 Frau F und Herrn D, letzteren als den Vater des Beteiligten zu 2), dass wegen der Ausschlagung des Herrn D die Erbschaft bei ihnen angefallen sein dürfte (vgl. Bl. 113 f. d.A.). Frau F erklärte daraufhin ihrerseits die Ausschlagung der Erbschaft mit am 9.12.2009 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz. Eine Ausschlagung für den Beteiligten zu 2), die seitens dessen Eltern am 1.3.2010 vor dem Notar N1 aus Limburg erklärt worden war, ging am 3.3.2010 bei Gericht ein.

Am 27.7.2011 hat der Beteiligte zu 1) einen Erbschein beantragt, wonach er zur Hälfte sowie der Beteiligte zu 2) und B jeweils zu einem Viertel Erben der Erblasserin seien. Im Rahmen seiner Anhörung hat der Beteiligte zu 2), vertreten durch seine beiden Eltern E und D, diese vertreten durch den Notar N1, mit am 3.8.2011 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz die "Anfechtung der verspäteten Ausschlagung" wegen Überschuldung des Nachlasses erklärt (Bl. 186 d.A.).

Das AG hat in dem angefochtenen Beschluss entschieden, dass es die für den Erlass des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachte. Zugleich hat es die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft der Entscheidung zurückgestellt (Bl. 199 f. d.A.). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Ausschlagung des Beteiligten zu 2) sei verspätet eingegangen und damit unwirksam.

Gegen den seinem Verfahrensbevollmächtigten am 22.11.2011 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 2) am 12.12.2012 Beschwerde eingelegt (Bl. 210 d.A.), der das AG hingegen nicht abgeholfen hat (Bl. 213 d.A.). Zur Begründung hat der Beteiligte zu 2) angeführt, er halte seine Ausschlagung des Erbes für wirksam.

Der Senat hat die Mutter des Beteiligten zu 2) zunächst schriftlich angehört, wobei mit Blick auf die daraufhin erfolgte schriftliche Stellungnahme auf Bl. 222 f. d.A. verwiesen wird. Sodann hat der Senat Beweis erhoben durch Vernehmung beider Erziehungsberechtigten des Beteiligten zu 2). Ferner hat er den Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2) informatorisch angehört. Hinsichtlich der Angaben der gehörten Personen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.6.2012 Bezug genommen (Bl 242 ff. d.A.).

Ergänzend wird auf die im Beschwerdeverfahren von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und die ihnen beigefügten Anlagen verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Zurückweisung des Antrags des Beteiligten zu 1), ihm einen Erbschein zu erteilen, wonach er neben seinem Sohn B und dem Beteiligten zu 2) Erbe der Erblasserin geworden ist.

1. Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 2) ist zulässig. Es ist gem. § 58 FamFG als befristete Beschwerde statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Der Beteiligte zu 2) ist zudem beschwerdeberechtigt. Denn berechtigt i.S.v. § 59 FamFG ist u.a., wer - wie der Beteiligte zu 2) - behauptet, er sei...

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