Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Entscheidung vom 05.02.2016; Aktenzeichen 33 O 86/15)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 5.2.2016 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.991,42 EUR nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.6.2015 sowie nicht anrechenbare Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 415,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.10.2015 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithilfe.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache in vollem Umfang Erfolg. Das Landgericht hat seine Klage zu Unrecht abgewiesen. Dem Kläger steht aus abgetretenem Recht der Streithelferin der geltend gemachte Zahlungsanspruch über 8.991,42 EUR nebst Zinsen zu. Grundlage ist der Vertrag zwischen der Streithelferin und der Beklagten vom 22.5.2012 (Bl. 7 GA) über Bauleistungen, die die Streithelferin gegenüber der Beklagten erbrachte. Bei dem geltend gemachten Betrag handelt es sich um die hierauf anfallende Umsatzsteuer, deren Zahlung die Beklagte vertraglich zusätzlich zu den vereinbarten Nettobeträgen ebenfalls schuldet.

Dem steht nicht entgegen, dass die Vertragsparteien unter Nummer 7 des Vertrages (Bl. 8R GA) im Anschluss an die Angabe der vereinbarten Vergütung ausdrücklich vereinbart haben:

"Die Preise verstehen sich rein netto. Die Umsatzsteuer wird entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen des § 13b des Umsatzsteuergesetzes vom AG [der Beklagten] direkt abgeführt."

Danach war ursprünglich in der Tat, wie von der Beklagten jetzt geltend gemacht, die Zahlung allein des Netto-Preises vorgesehen. Das beruhte auf der Annahme der Parteien, dass die beklagte Bauträgerin selbst zur Abführung der Umsatzsteuer auf die Bauleistungen gegenüber dem Finanzamt verpflichtet war.

Diese vertraglich vorgesehene Abwicklung ist gescheitert, nachdem der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Erkenntnis zu entnehmen ist, dass nach der steuerrechtlichen Rechtslage nicht der Bauträger (die Beklagte) als Leistungsempfänger, sondern der Leistende (die Streithelferin) zur Abführung der Umsatzsteuer verpflichtet ist (BFH, Urteil vom 22.8.2013, BFHE 243, 20 = BStBl. II 2014, 128 = DStR 2013, 2560), nachdem die Finanzverwaltung dem gefolgt ist und nachdem gestützt hierauf die Beklagte auf ihren Antrag die gezahlte Umsatzsteuer erstattet erhalten hat. Wie in diesem Fall die Zahlung der Mehrwertsteuer im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander abgewickelt werden soll, regelt der Vertrag nicht.

Der Vertrag enthält insoweit eine Lücke, weil er keine Regelung des Falles enthält, dass die Praxis von Rechtsprechung bzw. Finanzverwaltung zur Anwendung von § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG a. F. sich ändert und nicht die Beklagte, sondern die Streithelferin als Steuerschuldnerin hinsichtlich der Umsatzsteuer angesehen wird. Auch die unterbliebene Regelung einer künftigen Entwicklung kann eine durch ergänzende Vertragsauslegung schließbare Lücke darstellen (vgl. BGH NJW 2009, 1348).

Diese Lücke ist im vorliegenden Fall durch ergänzende Vertragsauslegung dahin zu schließen, dass der Streithelferin ein vertraglicher Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung des Brutto-Werklohns, also des vereinbarten Nettobetrages zuzüglich der hierauf entfallenden Umsatzsteuer zusteht. Dieses Auslegungsergebnis ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Lücke etwa nicht planwidrig wäre. Die Vertragsparteien haben ersichtlich keine abschließende Regelung zur Abführung der Mehrwertsteuer treffen wollen. Die vertragliche Vereinbarung fußt vielmehr allein auf der Annahme der Vertragsparteien, dass die Beklagte und nicht die Streithelferin Steuerschuldnerin sei. Dafür, dass die Vertragsparteien im Verhältnis zueinander im Falle einer Steuerschuldnerschaft der Streithelferin deren alleinige Belastung mit der Umsatzsteuer vereinbaren wollten, sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. Im Gegenteil liefe dies den vertraglichen Vereinbarungen zur Höhe der Vergütung zuwider. Der Vertrag sieht nämlich vor, dass die Streithelferin für ihre Leistungen eine bestimmte Vergütung als Nettobetrag erhält und die Beklagte die hierauf entfallende Umsatzsteuer übernimmt. Müsste dagegen die Streithelferin die Mehrwertsteuer allein tragen, so stellte die an sie gezahlte Vergütung nicht mehr den Nettobetrag, sondern den Bruttobetrag dar; ihr flösse dann die als Nettobetrag vereinbarte Vergütung nur abzüglich der Umsatzsteuer endgültig zu. Das entspricht nicht dem, was die Parteien zur Vergütungshöhe vereinbart haben.

Diese planwidrige Lücke im Vertrag eröffnet den Weg zu einer ergänzenden Vertragsauslegung (so für Fälle wie dem vorliegenden auch OLG Köln, NJW 2017, 677 = NZBau 2017, 44). Dabei betrifft die Lücke nicht den Anfall von Umsatzsteuer überhaupt. Den Verträgen lässt sich ohne weiteres en...

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