Rz. 145

Folgt man den §§ 717, 719 BGB, so sind Anteile an einer OHG bzw. KG grundsätzlich nicht übertragbar; zieht man § 1069 Abs. 2 BGB hinzu, so kann an einem nicht übertragbaren Recht kein Nießbrauch bestellt werden. Allerdings handelt es sich bei § 719 BGB um eine dispositive Regelung, sodass nach allgemeiner Auffassung[1] bei Zustimmung der Gesellschafter – beispielsweise durch eine dahingehende Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag – eine Übertragbarkeit der Anteile möglich ist. Diese Übertragbarkeit des Anteils wird dann zumeist[2] auch als ausreichende Voraussetzung für die Bestellung eines Nießbrauchs am Gesellschaftsanteil gesehen.

 

Rz. 146

Die Rechtsfolgen der Nießbrauchbestellung an Gesellschaftsanteilen sind von der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt;[3] die Bestellung kann jedoch grundsätzlich an zwei zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten anknüpfen:[4]

  1. Nießbrauch am Gesellschaftsanteil als solchem (Vollnießbrauch);
  2. Nießbrauch an den Gewinnansprüchen aus dem Gesellschaftsanteil.
 

Rz. 147

Der Nießbrauch am Gesellschaftsanteil kann im Wesentlichen[5] mit dem Eintritt des Nießbrauchers in die volle Rechtsstellung des Nießbrauchbestellers oder mit der Abspaltung bestimmter Rechte und Pflichten begründet werden.[6] Letztere begründet keine Gesellschafterstellung des Nießbrauchers, vielmehr bleibt der Nießbrauchbesteller selbst Gesellschafter der Personengesellschaft.[7]

 

Rz. 148

Für die Bestellung des Nießbrauchs am Gewinnanspruch des Gesellschafters wird in der Literatur[8] der Nießbrauch am sog. Gewinnstammrecht und der Nießbrauch an der Gewinnquote diskutiert. Die Notwendigkeit der Konstruktion eines Gewinnstammrechts ergibt sich aus der im Schrifttum vertretenen Ansicht, der Nießbrauch an den Gewinnansprüchen beinhalte lediglich die Nutzung der zufließenden Gewinne, also das Verfügungsrecht über die anfallenden Zinsen.[9] Die Tatsache, dass am Gewinnstammrecht als nicht übertragbares Mitgliedschaftsrecht des Gesellschafters nach dem Wortlaut des § 1069 Abs. 2 BGB kein Nießbrauch bestellt werden kann, ist nach Ansicht der Verfechter dieser Theorie kein Hindernis; schließlich könnten die aus dem Gewinnstammrecht fließenden Ansprüche gem. § 717 Satz 2 BGB übertragen werden und die Rechtsstellung des Gesellschafters bliebe unverändert.[10] Die überwiegende Ablehnung, auf die die Bestellung eines Nießbrauchs am Gewinnstammrecht in der Literatur stößt, wird im Wesentlichen von zwei Argumenten getragen:[11]

  1. Die Nießbrauchbestellung an einem nicht übertragbaren Recht ist rechtlich nicht zulässig (§ 717 i. V. m. § 1069 Abs. 2 BGB).
  2. Für die Konstruktion eines Gewinnstammrechts besteht keine wirtschaftlich begründbare Notwendigkeit.

Letztere Ansicht hält die Ausgangsüberlegung, beim Nießbrauch an den Gewinnansprüchen erhalte der Nießbraucher nur die daraus fließenden Zinsen zur freien Verfügung, für schlichtweg falsch.[12]

 

Rz. 149

Alternativ zum Nießbrauch am Gewinnstammrecht kann der Nießbrauch an den Gewinnansprüchen in Gestalt der Gewinnquote begründet werden. Da es sich beim Anspruch auf den Gewinnanteil um ein frei übertragbares Recht (§ 717 Satz 2 BGB) handelt, bestehen hinsichtlich einer Nießbrauchbestellung an der Gewinnquote des Gesellschafters keine Bedenken.[13]

[1] Vgl. Jansen/Jansen, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht, 12. Aufl. 2019, Rz. 333; Petzoldt, DStR 1992, S. 1171.
[2] Vgl. Herrler, in Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 1068 BGB Rz. 4. Dagegen wird auch die Ansicht vertreten, die Zustimmung zur Übertragbarkeit des Gesellschaftsanteils sei nicht als Zustimmung zur Nießbrauchbestellung am Gesellschaftsanteil zu werten; vgl. m. w. N. zum Schrifttum Lohr, Der Nießbrauch an Unternehmen und Unternehmensanteilen, 1989, S. 57; Pohlmann, in Münchener Kommentar zum BGB, Band 7, 7. Aufl. 2017, § 1068 BGB Rz. 32.
[4] Vgl. Lohr, Der Nießbrauch an Unternehmen und Unternehmensanteilen, 1989, S. 58.
[5] Auf eine schuldrechtliche Ausgestaltung des Nießbrauchs soll hier nicht näher eingegangen werden; vgl. dazu Lohr, Der Nießbrauch an Unternehmen und Unternehmensanteilen, 1989, S. 68 ff.
[6] Dabei ist die entscheidende Frage, welche Gesellschafterrechte durch den Nießbraucher ausgeübt werden und welche beim Nießbrauchbesteller verbleiben; vgl. Petzoldt, in Münchener Kommentar zum BGB, Band 6, 1997, § 1068 BGB Rz. 16 (in neuester Aufl. so nicht mehr enthalten).
[7] Vgl. Wacker, in Schmidt, EStG, 39. Aufl. 2020, § 15 EStG Rz. 309. Eine weitere Möglichkeit der Nießbrauchbegründung, bei der beide – Nießbrauchbesteller und Nießbraucher – Gesellschafter der Personengesellschaft sind, ist auf der Basis einer sog. "diagonalen Spaltung der Mitgliedschaft" denkbar; vgl. m. w. N. zur Literatur Lohr, Der Nießbrauch an Unternehmen und Unternehmensanteilen, 1989, S. 65 ff.
[8] Vgl. Pohlmann, in Münchener Kommentar zum BGB, Band 8, 8. Aufl. 2019, § 1068 BGB Rz. 28 f.
[9] Vgl. erstmals Siebert, BB 1956, S. 1126, sowie die Literaturnach...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge