Rz. 140

Die Qualifikation der Einkünfte des Nießbrauchers richtet sich nach der Art des Unternehmens. Denkbar wären Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb oder aus selbstständiger Arbeit, wobei bei freiberuflicher Tätigkeit der Nießbraucher selbst tätig werden muss, während er im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb bzw. Gewerbebetrieb auch einen Angestellten mit der Unternehmensleitung betrauen kann.[1] In jedem Fall ist der Nießbraucher Unternehmer.[2]

Damit ist er nach § 22 Abs. 2 HGB auch anstelle des Eigentümers ins Handelsregister einzutragen.[3]

 

Rz. 141

Für die Beurteilung der Stellung des Nießbrauchüberlassers ist angesichts der BFH-Rechtsprechung,[4] die eine Gleichbehandlung von dinglichen und obligatorischen Nutzungsrechten vorsieht, eine analoge Anwendung der Grundsätze zur Betriebsverpachtung[5] zweckmäßig.[6]

 

Rz. 142

Ertragsteuerlich ergibt sich damit für den Nießbrauchbesteller ein Wahlrecht.[7] Er kann sich für die Fortführung des Betriebsvermögens als Gewerbebetrieb entscheiden und erzielt damit weiterhin – ebenso wie der Verpächter – Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die allerdings nicht der Gewerbesteuer unterliegen.[8] Die Rückerstattungsverpflichtung für Gegenstände des Umlaufvermögens erfordert die Passivierung einer Rückstellung in der Bilanz des Nießbrauchers; spiegelbildlich dazu erfolgt die Aktivierung einer Rückgabeforderung beim Nießbrauchbesteller. Im Zeitpunkt der Nießbrauchbestellung orientiert sich die Bewertung der Rückerstattungsverpflichtung am betragsmäßigen Ansatz der betreffenden Gegenstände des Umlaufvermögens; in der Folgezeit muss ein solcher Zusammenhang jedoch nicht gegeben sein. Sind die zurückzugebenden Gegenstände nicht mehr vorhanden, ist die Wertersatzverpflichtung des Nießbrauchers mit den Wiederbeschaffungskosten anzusetzen.[9]

 

Rz. 143

Da die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens weiterhin im Eigentum des Nießbrauchbestellers verbleiben, sind sie auch in dessen Bilanz auszuweisen; analog dazu sind die betrieblichen Verbindlichkeiten zu behandeln. Die vom Nießbraucher im Rahmen seiner Substanzerhaltungsverpflichtung neu angeschafften Anlagegüter aktiviert der Nutzungsüberlasser in seiner Bilanz;[10] ihm stehen auch die Abschreibungen auf die Wirtschaftsgüter seines Vermögens zu, unabhängig davon, ob sie vor oder erst nach Nießbrauchbestellung angeschafft wurden.[11] Die Substanzerhaltungs- bzw. Erneuerungsverpflichtung ist beim Nießbraucher durch eine erfolgswirksame Rückstellung,[12] beim Nießbrauchbesteller durch eine Forderung zu berücksichtigen, die dann den Ersatzanschaffungen folgend aufzulösen ist. Die Bilanzierung erfolgt i. H. d. Teilwerts; erhöhen sich die Wiederbeschaffungskosten, so ist auch die Rückstellung entsprechend zu erhöhen.[13]

 

Rz. 144

Darüber hinaus kann der Nießbrauchbesteller die Betriebsaufgabe erklären;[14] infolge des Nießbrauchverhältnisses erzielt er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Ein eventuell entstehender Betriebsaufgabegewinn ist einkommensteuerpflichtig, unterliegt jedoch ggf. den Begünstigungen der §§ 16, 34 EStG.[15] Für die übernommenen Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens entfällt auf Seiten des Nießbrauchbestellers die Bilanzierung einer Rückgabeforderung; die Passivierungspflicht einer entsprechenden Verpflichtung beim Nießbraucher bleibt hingegen unberührt.[16] Wertänderungen können sich folglich beim Nutzungsüberlasser nur im Zuflusszeitpunkt auf der Grundlage des § 11 EStG auswirken; Gleiches gilt für Ersatzbeschaffungen von Gegenständen des Anlagevermögens im Rahmen der Substanzerhaltungs- und Erneuerungspflicht des Nießbrauchers; steuerbare Zuflüsse i. S. v. § 11 EStG auf Seiten des Nießbrauchbestellers entstehen mit dem Zeitpunkt der Anschaffung der Gegenstände durch den Nießbraucher und deren Übergang ins Eigentum des Nießbrauchbestellers.[17]

[1] Vgl. Paus, BB 1990, S. 1676. Zu den Voraussetzungen für das Vorliegen von Einkünften aus selbstständiger Arbeit vgl. Wacker, in Schmidt, EStG, 39. Aufl. 2020, § 18 EStG Rz. 6 (dort mit Abkürzungen versehen): "Charakteristisch und erforderlich ist die persönliche Arbeitsleistung des Berufsträgers (…), statt der Erbringung einer Betriebsleistung, die bei Gewerbebetrieben ausreichend ist."
[3] Vgl. Stinn, NWB 2011, S. 2622.
[5] Vgl. H 16.5 EStH.
[6] Vgl. Lohr, Der Nießbrauch an Unternehmen und Unternehmensanteilen, 1989, S. 263; Paus, BB 1990, S. 1676; im Ergebnis genauso: BFH, Urteil v. 26.2.1987, IV R 325/84, BStBl 1987 II S. 272.
[7] Vgl. H 16.5 EStH.
[8] Vgl. R 2.2 Satz 2 GewStR.
[10] Vgl. Biergans, DStR 1985, S. 330.

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