Rz. 76

Für die Fähigkeit von Nutzungsrechten zur Einlage i. S. v. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB wird in der Literatur[1] zwischen beschränkt dinglichen und obligatorischen Nutzungsrechten unterschieden. Beschränkt dingliche Nutzungsrechte können unter der Voraussetzung der Einlagefähigkeit, unabhängig davon, ob das Nutzungsrecht am Gegenstand des betreffenden Gesellschafters oder eines Dritten besteht, auch Zuzahlungen in die Kapitalrücklage darstellen.[2] Die bilanziellen Konsequenzen entsprechen denen einer Sacheinlage zur Erbringung des Nennkapitals, wobei allerdings der der Aktivierung des Nutzungsrechts entsprechende Passivposten nicht in einer Nennkapitalerhöhung, sondern eben im Ausweis einer Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB besteht. Beim Nutzungsüberlasser sind nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung zu aktivieren, falls es sich um einen bilanzierenden Kaufmann mit Gesellschaftsanteilen im Betriebsvermögen handelt.

 

Rz. 77

Diese Vorgehensweise gilt nach h. M.[3] auch im Fall obligatorischer Nutzungsrechte, die gegen einen Dritten gerichtet sind. Bei solchen, die sich gegen den Gesellschafter selbst richten, ist die Tauglichkeit des Nutzungsrechts zur Sacheinlage umstritten.[4] Die Forderung, Sacheinlagen könnten nur "Vermögensgegenstände sein, deren wirtschaftlicher Wert feststellbar ist",[5] wird in der Literatur[6] durch das Kriterium, die Sacheinlage solle ein taugliches Surrogat zur Bareinlage darstellen, weiter konkretisiert. Eben diese Gleichwertigkeit zur Bareinlage wird mit dem Hinweis auf die Risiken, die mit einer unbaren Einlage in Form eines Nutzungsrechts verbunden sind – in diesem Zusammenhang werden die mögliche Kündigung der Nutzungsvereinbarung, die Veräußerung des Gegenstands durch den Gesellschafter, die Insolvenz des Gesellschafters, aber auch die Verfügbarkeit für die Gesellschaft und die mangelnde Bilanzierbarkeit des Gegenstands genannt –, infrage gestellt.[7]

 

Rz. 78

Strittig sind die bilanziellen Folgen für die Gesellschaft, falls es bei der Kapitalgesellschaft zur Unterbewertung bzw. zum Nichtansatz der Sacheinlage in der Bilanz kommt. Die handelsrechtlichen Grundlagen hierzu liefern gleich zwei Wahlrechte:

  1. Anknüpfend an die unabdingbare Voraussetzung einer anderen Zuzahlung, die eine freiwillige und gewollte Leistung des Gesellschafters in das Eigenkapital gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB fordert, kann de facto ein Wahlrecht begründet werden, das neben der Einstellung in die Kapitalrücklage eine Erfassung über die Gewinn- und Verlustrechnung erlaubt.[8] Dieser handelsrechtliche Spielraum ergibt sich aus der Zweckbestimmung der Leistung des Gesellschafters: "Ist die Leistung dazu bestimmt, einen Jahresfehlbetrag zu decken oder einen Bilanzverlust auszugleichen, braucht sie nicht erst in die Kapitalrücklage eingestellt zu werden, sondern kann gleich als Ertrag in die Gewinn- und Verlustrechnung eingehen".[9]
  2. Das Handelsrecht verbietet eine Überbewertung von Sacheinlagen.[10] Obergrenze des Bilanzansatzes ist der Zeitwert der Sacheinlage; allerdings ist auch ein darunterliegender Ansatz möglich,[11] sodass selbst eine Nichtbilanzierung denkbar ist.
 

Rz. 79

Fraglich ist, ob das Wahlrecht zur Aktivierung des Nutzungsrechts in die Gesellschaftersphäre wirkt und die Wahlrechtsausübung damit auch auf die Entscheidung hinsichtlich einer Hinzuaktivierung zu der bestehenden Beteiligung an der Kapitalgesellschaft auf Seiten des Gesellschafters durchschlägt[12] oder ob für ihn ein von der Kapitalgesellschaft unabhängiges Wahlrecht zur Aktivierung nachträglicher Anschaffungskosten der Beteiligung bei gleichzeitiger Passivierung eines Rechnungsabgrenzungspostens besteht.[13]

 

Rz. 80

Offen ließ der BFH bislang, wie die steuerrechtliche Behandlung der Einlagen nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB erfolgen soll, insbesondere, ob die für verdeckte Einlagen entwickelten Grundsätze[14] auch auf andere Zuzahlungen Anwendung finden sollen. In diesem Zusammenhang merkt Döllerer[15] an, dass die Einlage eines Nutzungsrechts gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB eine gesellschaftsrechtliche Sacheinlage darstelle und daher für Zwecke der Besteuerung die gleichen Folgerungen zu ziehen seien wie im Fall der Einlage eines Nutzungsrechts bei Gründung oder Kapitalerhöhung. Ein bilanzierender Gesellschafter hätte die Einlage in die Kapitalrücklage somit als Erhöhung der Beteiligung zu aktivieren, der Privatmann erziele Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder aus Kapitalvermögen: "Wenn die Erhöhung des Wertes der Beteiligung in der Bilanz der Kapitalgesellschaft nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB ihren sichtbaren Ausdruck findet, scheint es mir auch gerechtfertigt zu sein, sie als Einnahme i. S. d. § 8 EStG anzusehen …".[16] Dem ist nicht zuzustimmen: Das Steuerrecht stellt die wirtschaftliche Betrachtungsweise in den Vordergrund der Überlegungen; auf dieser Grundlage ist die unentgeltliche Überlassung eines Nutzungsrechts durch den Gesellschafter und die gleichzeitige Wahrnehmung der Option zur Einstellung in die Kapitalrücklag...

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