Rz. 72

Gem. § 27 Abs. 2 AktG umschreibt der Begriff der Sacheinlage "Vermögensgegenstände […], deren wirtschaftlicher Wert feststellbar ist". Ob auch Nutzungsrechte als Sacheinlage tauglich sind, hängt in erster Linie von ihrer Aktivierungsfähigkeit ab;[1] dies berücksichtigt, dass "nur das, was im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für bilanzfähig befunden wird, auch bei Einbringung durch einen Gesellschafter bilanzfähig sein kann".[2] Folglich kommen Nutzungsrechte sowohl in ihrer dinglichen als auch in ihrer schuldrechtlichen Variante unter der Voraussetzung des durch eine gesicherte Rechtsposition[3] geschützten Vorliegens eines Vermögensgegenstands sowie dessen Bewertbarkeit und Übertragbarkeit[4] grundsätzlich als Gegenstand einer Sacheinlage in Betracht.[5] Bedenken hinsichtlich der Gewährung von Gesellschaftsrechten gegen Einräumung eines Nutzungsrechts am betriebsfremden Eigentum des Gesellschafters betreffen vor allem die Garantiefunktion des Eigenkapitals und damit die Frage, ob das Nutzungsrecht als Sacheinlage die Funktion der Geldeinlage erfüllen kann.[6]

 

Rz. 73

Als allgemeine Voraussetzungen für die Einlagefähigkeit von Nutzungsrechten werden genannt:[7]

  1. der Besitz des Vermögensgegenstands ist vom Nutzungsüberlasser zum Nutzungsberechtigten übergegangen;
  2. die Dauer des Nutzungsrechts ist von Anbeginn an festgelegt;
  3. die Nutzung kann dem Berechtigten vom Überlasser nicht einseitig entzogen werden;
  4. die Nutzungsmöglichkeit kann auch zugunsten der Gesellschaftsgläubiger verwertet werden.
 

Rz. 74

Sind diese Voraussetzungen gegeben, wird zur handelsbilanziellen Behandlung folgende Lösung angeboten:[8] Handelt es sich um eine gesellschaftsrechtliche Sacheinlage zur Aufbringung des Nennkapitals bei Gründung oder Kapitalerhöhung, wird das Nutzungsrecht in der Bilanz der Kapitalgesellschaft mit dem gemeinen Wert,[9] den das Nutzungsrecht für die Kapitalgesellschaft hat, aktiviert; gleichzeitig erhöht die Sacheinlage das Nennkapital. Der Gesellschafter aktiviert für den Fall, dass er seine Beteiligung im Betriebsvermögen hält, die neuen Anteile mit den Anschaffungskosten, also dem gemeinen Wert des Nutzungsrechts;[10] gleichzeitig passiviert er einen Rechnungsabgrenzungsposten als Ausdruck einer "Vorleistung im Rahmen eines längerfristigen Nutzungsverhältnisses",[11] den er über die Laufzeit des Nutzungsrechts auflöst.

 

Rz. 75

Der BFH postuliert für die steuerrechtliche Beurteilung: "Gegenstand einer Einlage kann grundsätzlich nur sein, was auch Bestandteil des Vermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG sein kann. Hierzu zählen nur Wirtschaftsgüter, die in eine Bilanz aufgenommen werden können."[12] Im vorliegenden Beschluss bestimmt der Große Senat mit Hinweis auf die frühere Rechtsprechung,[13] dass Nutzungsrechte grundsätzlich selbstständige Wirtschaftsgüter und damit einlagefähig sind. Wie jedes andere Wirtschaftsgut ist das Nutzungsrecht zum Teilwert zu aktivieren und bei der Gewinnermittlung erfolgsneutral zu korrigieren; die Abschreibung der Gesellschaft auf das Nutzungsrecht mindert als Aufwand das steuerliche Ergebnis. Wird die Beteiligung im Betriebsvermögen gehalten, gilt die handelsrechtliche Vorgehensweise (Aktivierung der Anteile zu Anschaffungskosten, Passivierung und zeitanteilige Auflösung eines Rechnungsabgrenzungspostens) im Steuerrecht entsprechend. Befinden sich die Anteile jedoch im Privatvermögen des Gesellschafters, so sind ihm in Form der von der Gesellschaft zu gewährenden neuen Anteile Einnahmen i. S. d. §§ 8, 20, 21 EStG zuzurechnen.[14] Damit erzielt der Gesellschafter Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bzw. aus Kapitalvermögen; für diese Überschusseinkünfte ist entsprechend den Tauschgrundsätzen der gemeine Wert der erlangten Anteile anzusetzen; eine Verteilung über die Laufzeit ist wegen des bei Überschusseinkünften geltenden Zuflussprinzips nicht möglich.[15]

[1] Diese Ansicht ist nicht unumstritten; der BGH hat hervorgehoben, dass die Einlagefähigkeit die Aktivierbarkeit begründet (BGH, Urteil v. 16.2.1959, II ZR 170/57, BHGZ 29 S. 302). Es ist jedoch Groh zuzustimmen, der ausführt: "In Wahrheit entsprechen aber die nunmehr an eine Sacheinlage gestellten Anforderungen der Übertragbarkeit und Bewertbarkeit denjenigen für Vermögensgegenstände, sodass mögliche Sacheinlagen auch aktivierbar sind"; Groh, DB 1988, S. 520. Vgl. ferner Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. 1993, S. 289; Meurer, in Lademann/Söffing/Brockhoff, EStG, § 4 EStG Rz. 391, Stand: März 2020. Meilicke gibt zu bedenken, dass, zumindest was die Einlage in eine AG betrifft, Art. 7 der 2. EGRL (inzwischen RL 2012/30/EU) verbindlich sei, wonach "die Bilanzierungsfähigkeit der Einlagefähigkeit folgt, […] aber nicht umgekehrt über die Bilanzierungsfähigkeit zusätzliche Hindernisse für die Einlagefähigkeit von Vermögensgegenständen aufgebaut werden können"; vgl. Meilicke, BB 1991, S. 579 ff.; wörtliches Zitat auf S. 581.
[2] Kußmaul, Nutzungsrechte an Grundstücken in Handels- und Steuerbilanz, 19...

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