Rz. 45

Eine Anerkennung von Nutzungsrechten als bilanzierungsfähige Vermögensgegenstände führt jedoch nicht dazu, dass Nutzungsrechte stets als immaterielle Wirtschaftsgüter auszuweisen sind. Im Hinblick auf die konkrete Aktivierungsfähigkeit ist daher zu prüfen, ob der Aktivierung eines Vermögensgegenstands ein gesetzliches oder auf den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung beruhendes Verbot, wie bspw. das steuerliche Ansatzverbot unentgeltlich erworbener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens oder das Bilanzierungsverbot für Ansprüche und Verpflichtungen aus schwebenden Geschäften, entgegensteht.[1]

[1] Vgl. Bieg/Kußmaul/Waschbusch, Externes Rechnungswesen, 6. Aufl. 2012, S. 100.

2.1.2.1 Unentgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens

 

Rz. 46

Für den Fall der Bejahung der Vermögensgegenstandseigenschaft von Nutzungsrechten wäre ein Ausweis in der Bilanz unter der Position "Immaterielles Vermögen" denkbar. Das auch hier grundsätzlich geltende Prinzip der Vollständigkeit erfährt durch die steuerrechtliche Regelung in § 5 Abs. 2 EStG eine Durchbrechung. Der Ausweis immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens[1] ist auf entgeltlich erworbene beschränkt; die korrespondierende Vorschrift für das Handelsrecht wurde durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) abgeschafft und durch ein Aktivierungswahlrecht für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens ersetzt (§ 248 Abs. 2 Satz 1 HGB).[2] Ein Ansatzverbot besteht indes gem. § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB für selbst geschaffene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten sowie vergleichbare immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens. Durch diese restriktiven Bestimmungen soll die Unsicherheit, die eine Bewertung solcher immateriellen Vermögensgegenstände in sich birgt, zumindest für das Steuerrecht durch eine "Wertobjektivierung"[3] relativiert werden; insofern beruht das im Steuerrecht weiterhin bestehende Aktivierungsverbot auf dem Vorsichtsprinzip.

 

Rz. 47

Ein Erwerb wird dann angenommen, wenn ein Dritter seine wirtschaftliche Verfügungsmacht über den Gegenstand in der Weise aufgibt, dass Besitz, Gefahr, Nutzung und Lasten[4] übergehen. Für den Erwerb kommen neben Kaufvorgängen vor allem Tauschvorgänge und gesellschaftsrechtliche Sachverhalte in Betracht. Die notwendige Abgrenzung zwischen originärem Erwerb (Herstellung) und derivativem Erwerb (Anschaffung) aufgrund des in § 5 Abs. 2 EStG vorgeschriebenen Aktivierungsverbots für selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens kann sich im Einzelfall als schwierig erweisen, wenn beispielsweise im Rahmen einer Auftragsfertigung ein erheblicher Einfluss des Auftraggebers auf den Herstellungsprozess erfolgt und/oder der Auftraggeber für die Erstellung eigene Ressourcen bereitstellt bzw. wenn zwar eindeutig eine entgeltliche Anschaffung vorliegt, allerdings durch erhebliche Anpassungsarbeiten des Auftraggebers ein neuer Vermögensgegenstand entsteht.[5] Folglich sind Aufwendungen in Form von Zahlungen an einen Dritten für die Herstellung eines immateriellen Vermögensgegenstands steuerlich nicht aktivierbar[6] und begründen damit analog zu den vollständig internen Aufwendungen keinen abgeleiteten Erwerb, sondern lediglich eine originäre Herstellung.[7]

 

Rz. 48

Das steuerliche Aktivierungsverbot greift insofern, als für den Erwerb des immateriellen Vermögensgegenstands eine entgeltliche Gegenleistung nicht gewährt wird. Das Kriterium der Entgeltlichkeit impliziert jedoch nicht ausschließlich eine Gegenleistung, die in Geld besteht; auch ein Tauschvorgang steht der Erfüllung dieses Merkmals nicht entgegen, da auch hier eine Gegenleistung aus dem Vermögen des Erwerbers erfolgt.[8] Entspricht die geldwerte Gegenleistung nicht dem Wert des übertragenen immateriellen Vermögens, so liegt eine sog. gemischte Schenkung vor, die dann in ihre Teilbereiche Schenkung und entgeltlicher Erwerb aufzuteilen ist.[9]

 

Rz. 49

Selbst wenn ein Entgelt vorliegt, könnte dennoch das Kriterium des entgeltlichen Erwerbs eine Ablehnung der Aktivierungsfähigkeit eines Nutzungsrechts bedingen. Folgende Fallgestaltungen sind hier denkbar:[10]

  • Das Erwerbskriterium könnte für den Fall des sog. originären Erwerbs, also der Fiktion der Entstehung des Nutzungsrechts in der Hand des Erwerbers erst mit der Übertragung im Rahmen eines Rechtsgeschäfts, verneint werden.[11] Eine für die Bilanzierungsfähigkeit relevante Unterscheidung, ob ein Nutzungsrecht erst mit Vertragsabschluss entsteht oder bereits vorher bestanden hat, ist nach der hier vertretenen Ansicht – in Übereinstimmung mit früheren BFH-Urteilen[12] und auch der Literatur[13] – nicht gerechtfertigt.
  • Ein derivativer Erwerb eines Nutzungsrechts wird beim Vorliegen von Zuschüssen, die der Nutzungsberechtigte zur Herstellung oder Erweiterung des zur Nutzung überlassenen Vermögensgegenstands an den Nutzungsverpflichteten leistet, infrage gestellt.[14] Die Begründung stellt dabei auf die fehlende Gegenleistung für den immateriellen Anlagewert ab. Damit würde beispiels...

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