Leitsatz

1. Eine Spontanauskunft an die Steuerverwaltung eines anderen Mitgliedstaats der EU setzt tatsächliche Anhaltspunkte für die Vermutung voraus, dass Steuern gerade dieses Mitgliedstaats verkürzt worden sind oder werden könnten.

2. Wenn im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht wurde, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Spontanauskunft (§ 2 Abs. 2 EGAHiG) nicht erfüllt sind, ist wegen der Gefahr einer nicht mehr rückgängig zu machenden Verletzung des subjektiven Rechts auf Wahrung des Steuergeheimnisses auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

 

Normenkette

§ 30, § 117 AO, § 2 Abs. 2 Nr. 1

 

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten darüber, ob das ehemalige BfF und jetzige BZSt berechtigt ist, im Rahmen des zwischenstaatlichen Auskunftsaustauschs in Steuersachen der finnischen Steuerverwaltung eine Auskunft zu erteilen.

Unternehmensgegenstand der Antragstellerin, einer GmbH, ist u.a. der Handel mit industriellen Ausrüstungen und Maschinen (Vermittlung bzw. Verkauf von Produkten dritter Herstellerfirmen). Der Alleingesellschafter der Antragstellerin ist zugleich als Geschäftsführer bestellt. Zur Herstellung und Abwicklung von Geschäftskontakten in Russland ist auf der Grundlage eines Beratervertrags mit einer in Panama ansässigen Firma (B), nach Erkenntnissen des BfF eine Domizilgesellschaft ohne eigenen Geschäftsbetrieb und vertreten durch einen russischen Staatsbürger (K), ein selbstständiges russisches Unternehmen eingeschaltet. Als Gegenleistung schuldet die Antragstellerin der B 70 % der Nettoerlöse (Gewinne) der in Russland betriebenen Geschäfte. Das russische Büro wird von K und einem weiteren russischen Staatsbürger betrieben.

Ein Unternehmen mit Sitz in Finnland (N) ist Hersteller u.a. von industriellen Ausrüstungsgegenständen. Diese Firma hatte Beratungsverträge mit der B und mit G abgeschlossen; es sollten Geschäftsmöglichkeiten in Russland eröffnet werden. Die Vermittlung von Lieferungen erfolgte über das russische Büro der Antragstellerin.

Von 1999 bis 2000 zahlte die N Provisionen i.H.v. 6.792.730 DM. Auf Anweisung des K sowohl an die N als auch an die Antragstellerin erfolgten die einzelnen Zahlungen jedoch nicht nach Russland, sondern auf zwei Konten bei einer inländischen Sparkasse, über welche die Antragstellerin jeweils verfügungsberechtigt war.

Das BfF wollte den finnischen Behörden eine Spontanauskunft über die Zahlungsvorgänge erteilen, wogegen sich die Antragstellerin erfolgreich im Weg der einstweiligen Anordnung an das FG wandte (EFG 2005, 1322).

 

Entscheidung

Mit seiner Beschwerde machte das BZSt geltend, dass die Erteilung der Auskunft durch die Bestimmungen zur europäischen Amtshilfe abgedeckt sei. Der BFH ist dem entgegengetreten. Die beabsichtigte Mitteilung könne nicht auf das EGAHiG gestützt werden; denn tatsächliche Anhaltspunkte für die Vermutung, dass es in diesem Zusammenhang gerade zu einer Verkürzung von finnischen Steuern gekommen sein könnte, hätten nicht vorgelegen. Die Antragstellerin habe einen Anspruch darauf, dass die Information (vorläufig) nicht erteilt werde, um der Gefahr einer nicht mehr rückgängig zu machenden Verletzung des subjektiven Rechts auf Wahrung des Steuergeheimnisses zu begegnen.

 

Hinweis

1. Erst kürzlich, mit Beschluss vom 10.5.2005, I B 218/04 (BFH-PR 2005, 388), hatte der BFH entschieden, eine sog. Spontanauskunft an die Steuerverwaltung der USA sei schon dann zulässig, wenn die ernstliche Möglichkeit bestehe, dass ein bestimmter Vorgang zu einem abkommensrechtlichen Besteuerungsrecht der USA führe und dass die dortigen Behörden ohne die Auskunft von dem Vorgang keine Kenntnis erhielten.

Auf die Lektüre der dazu gegebenen Praxis-Hinweise ist, was Einzelheiten und Rechtsgrundlagen anbelangt, zu verweisen.

2. In gewisser Weise knüpft der BFH in seinem jüngsten Beschluss daran an. Allerdings gelangt er im Ergebnis zu einer beachtlichen Einschränkung:

Eine Spontanauskunft an die Steuerverwaltung eines anderen Mitgliedstaats der EU setzt tatsächliche Anhaltspunkte für die Vermutung voraus, dass Steuern gerade dieses Mitgliedstaats verkürzt worden sind oder werden könnten. Anders gewendet: Es genügt nicht, wenn der Verdacht oder auch nur die Vermutung besteht, dass es wo auch immer und zu irgendwelchen Fiskalausfällen "über" einen anderen Staat kommt. Vielmehr muss dieser Verdacht oder diese Vermutung sich auf den betreffenden Staat beziehen, dessen Steuerbehörden entsprechend unterrichtet werden sollen.

Beachten Sie also: Das Steuergeheimnis kann nicht qua Spontanauskünften im grenzüberschreitenden Verkehr beliebig ausgehöhlt werden. Es gilt, bestimmte "Spielregeln" zu beachten!

3. Dass der Besprechungsbeschluss in diesem Zusammenhang mit seinem 1. Leitsatz hervorhebt, dass es sich hierbei um ein EU-Mitgliedsland handelt, ist dabei nicht entscheidungserheblich. Das hängt allein damit zusammen, dass Rechtsgrundlage in dem betreffenden Fall das EGAHiG ist. Handelt es sich um ein Nicht-EU-Mitgl...

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