rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflichtwidrige Nicht-Einforderung von Stammeinlagen stellt regelmäßig eine verdeckte Gewinnausschüttung an die Gesellschafter dar

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Verzichtet der Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftern pflichtwidrig auf die Einforderung der zu leistenden Mindesteinlage, kommt es bei der GmbH zu einer durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten verhinderten Vermögensmehrung.
  2. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter muss seinen gesetzlichen Pflichten zur Einforderung der Mindesteinlage nachkommen und darf nicht unzulässigerweise darauf verzichten. Seine Missachtung indiziert die Veranlassung des Verzichts durch das Gesellschaftsverhältnis.
  3. Eine bei der GmbH eingetretene Unterschiedsbetragsminderung ist geeignet, bei den Gesellschaftern einen sonstigen Bezug i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen.
  4. Die Einforderung der über die Mindesteinlage hinausgehenden Resteinlagen setzt einen Beschluss der Gesellschafter - nicht der Geschäftsführung - voraus.
 

Normenkette

KStG § 8 Abs. 3 S. 2; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2; GmbHG § 7 Abs. 2, § 19 Abs. 2 S. 1, § 46 Nr. 2

 

Streitjahr(e)

2002

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, inwieweit der Verzicht der Klägerin auf die Einforderung von Stammeinlagen zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) führt.

Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 19. September 1995 gegründet und am 30. September 1996 ins Handelsregister eingetragen. Gesellschafter waren der Malermeister S und der Kaufmann U. Nach § 5 des Gesellschaftsvertrages haben beide Gesellschafter eine Stammeinlage i.H.v. 25.000 DM übernommen, die durch Bareinlage erbracht werden sollte. Tatsächlich erfolgten jedoch keine Leistungen auf die Stammeinlage. Gegenstand des Unternehmens sollte die Ausführung von Hochbauarbeiten, Modernisierungs- und Sanierungsarbeiten im Hochbau, der Ankauf und der Handel von Immobilien nebst aller damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten, sowie Handel und Verkauf von Blockheizkraftwerken sein. Der Geschäftsbetrieb wurde jedoch bislang nicht aufgenommen. Alleiniger Geschäftsführer war von Beginn an Herr S.

Für das Jahr 2002 gab die Klägerin zunächst keine Steuererklärungen ab. Daher schätzte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) einen Steuerbilanzgewinn von 1.250 € (5 % Zinseinnahmen vom Stammkapital) und erließ auf dieser Grundlage einen Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheid.

Gegen diese Bescheide legte die Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung gab sie die Steuererklärungen für 2002 ab, wobei als Jahresüberschuss und auch Steuerbilanzgewinn jeweils 0 € eingetragen waren. Eine Bilanz sowie eine Gewinn- und Verlustrechnung waren nicht beigefügt. Auf Nachfragen des FA bezüglich der Anlage des Stammkapitals erläuterte die Klägerin, dass das Stammkapital nicht verzinslich angelegt worden sei und keine Zinseinkünfte vorhanden seien. Vielmehr seien die Stammkapitaleinzahlungen, die aus privaten Mitteln von Herrn U stammten, in dessen Verwahrung. Weitergehende Nachfragen des Finanzamtes beantwortete die Klägerin nicht, zusätzlich angeforderte Unterlagen legte sie nicht vor. Daraufhin wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Dabei ging es in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass die Klägerin das eingezahlte Stammkapital in voller Höhe an den Anteilseigner U zurückgezahlt habe. Dieser habe es dann verzinslich angelegt. Dieser Sachverhalt sei dahingehend rechtlich zu würdigen, dass eine unentgeltliche Darlehensgewährung vorliege, welche zu einer vGA führe, da ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter das Kapital zur Erzielung von Einnahmen selbst angelegt hätte, um so für die Gesellschaft Erträge zu erzielen.

Die Klägerin hat Klage erhoben. Sie macht geltend, dass eine Steuerfestsetzung nicht in Betracht komme, da sie tatsächlich keinen Geschäftsbetrieb aufgenommen habe. Zur Begründung legt sie eine nicht unterschriebene „Bilanz zum 31.12.2002” vor, in der das gezeichnete Kapital sowie auch sämtliche andere Bilanzposten mit 0 € ausgewiesen werden. Das Stammkapital sei niemals eingezahlt worden. Somit seien keine Zinserträge für die Klägerin angefallen. Zwar sei die Gesellschaft für den Neubau von Altenheimen und Pflegestationen gegründet worden; die Geschäftsbeziehungen zu den Auftraggebern hätten sich jedoch zerschlagen, so dass die Gesellschaft von Beginn an ohne Umsätze und Erträge geblieben sei. Da die Gesellschaft nicht tätig geworden sei, habe es auch keine Aufforderung zur Einzahlung des Stammkapitals gegeben. Vielmehr sei den Gesellschaftern und der Geschäftsführung klar gewesen, dass die Gesellschaft grundsätzlich ruhen sollte, bis neue Aufträge zum Bau von Altenheimen und Pflegestationen akquiriert werden könnten. Im Übrigen sei es so, dass die Gesellschafter einer GmbH das Stammkapital grundsätzlich nur in Form eines Darlehens zur Verfügung stellten. Da die Gesellschaft im Zeitpunkt der Gründung noch kein eigenes Geld habe, müsse sie dieses Darlehen erst mit ...

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