vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [V R 31/11)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Steuerfreiheit einer Nachlasspflegschaft nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG (ehrenamtliche Tätigkeit)

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Führung einer Nachlasspflegschaft stellt keine steuerfreie Tätigkeit i. S. des § 4 Nr. 26 UStG dar.
  2. Zum Begriff der ehrenamtlichen Tätigkeit.
  3. Unter die ehrenamtliche Tätigkeit fällt nur das unentgeltliche Tätigwerden bzw. Tätigwerden gegen bloßen Aufwendungsersatz i. S. der §§ 1835, 1836a BGB a.F.
  4. Die Führung von 40 Pflegschaften führt zu einer Berufsmäßigkeit i. S. des § 1836 Abs. 1 Satz 4 BGB a.F.
 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 26; BGB a.F. §§ 1835, 1836a

 

Streitjahr(e)

2002

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.04.2012; Aktenzeichen V R 31/11)

BFH (Urteil vom 19.04.2012; Aktenzeichen V R 31/11)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Tätigkeit der Klägerin als Nachlasspflegerin eine ehrenamtliche Tätigkeit im Sinne des § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG darstellt.

Die Klägerin ist als Betreuerin und als Nachlasspflegerin tätig. Die von ihr als Betreuerin erzielten Einnahmen betrugen im Streitjahr 1.963,36 €; als Nachlasspflegerin erzielte sie 23.626,41 €.

Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung für die Jahre 2000 und 2001 kam der Beklagte zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit der Klägerin als Betreuerin wegen der am Arbeitsaufwand orientierten Vergütung nicht als ehrenamtliche Tätigkeit anzusehen sei. Die Umsätze aus der Übernahme der Nachlasspflegschaften behandelte der Beklagte dagegen als steuerfrei nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG. Da die Betreuungsumsätze unterhalb der Kleinunternehmergrenze des § 19 UStG lagen, wurde keine Umsatzsteuer für 2000 und 2001 festgesetzt.

Für das Streitjahr und die Folgejahre gab die Klägerin zunächst keine Umsatzsteuererklärungen ab, weil die Betreuungsumsätze weiterhin unterhalb der Kleinunternehmergrenze blieben.

In 2008 wurde die Klägerin beim Finanzamt für Fahndung und Strafsachen vorstellig, nachdem sie erfahren hatte, dass bei einem ihrer Kollegen die Übernahme von Nachlasspflegschaften der Steuerpflicht unterworfen worden war. Aufgrund der vorgelegten Einnahmeübersichten stellte die Fahndung fest, dass die Klägerin im Streitjahr mehr als 10 Nachlasspflegschaften übernommen hatte. Die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit wurde unter Hinweis auf § 1836 Abs. 1 Satz 3, 4 BGB (Fassung 2002 – nachf.: a.F.) abgelehnt.

Dementsprechend erließ der Beklagte erstmalige Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2006. Für das Streitjahr berücksichtigte der Beklagte mit Bescheid vom 26.06.2008 folgende Besteuerungsgrundlagen:

Erlöse Betreuerin

 1.963,36 €

Erlöse Nachlasspflegerin

23.626,42 €

Summe

25.589,77 €

darin enthaltene USt (16/116)

 3.076, 19 €

Erlöse netto

19.226,00 €.

Im Einspruchsverfahren berücksichtigte der Beklagte noch Vorsteuern aus der Gewinnermittlung 2002 in Höhe von 382,08 €.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Führung der Nachlasspflegschaften nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG steuerbefreit sei, weil es sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit handele.

Ehrenamtlichkeit bedeute vor allem, dass die Tätigkeit unentgeltlich ausgeübt werde. Abzugrenzen sei die unentgeltliche Tätigkeit als Nachlasspfleger von der berufsmäßig ausgeübten Nachlasspflegschaft. In der damaligen Fassung des § 1836 BGB sei genau geregelt, wann eine Nachlasspflegschaft entgeltlich bzw. unentgeltlich ausgeführt werde. Demnach sei von einer berufsmäßigen Tätigkeit auszugehen, wenn im Regelfall mehr als 10 Nachlasspflegschaften pro Jahr betreut würden oder die Führung der Betreuung mehr als 20 Stunden pro Woche in Anspruch nehme. Dabei gelte die entgeltliche und damit berufsmäßige Führung des Amtes als Ausnahme vom Grundsatz der Unentgeltlichkeit. Aufgrund dieses Regel-/Ausnahmeverhältnisses erfordere § 1836 BGB a.F. die ausdrückliche Feststellung der berufsmäßigen Ausübung der typischer als Ehrenamt ausgeführten Tätigkeit. Wenn eine solch ausdrückliche Feststellung der berufsmäßigen Ausübung vom Nachlassgericht im Streitfall nicht getroffen werde, belege dies, dass die Ausübung der Pflegschaften durch die Klägerin gerade nicht als berufsmäßig angesehen worden sei.

Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Nachlassgericht selbst die Nachlasspfleger bestelle und damit einen genauen Überblick über Anzahl und Umfang der Pflegschaften habe. Ihr seien nur Fälle zugeteilt worden, die sie im Rahmen der Ehrenamtlichkeit bearbeiten konnte. Dem Nachlassgericht sei auch bekannt gewesen, dass sie neben ihrer Tätigkeit als Mutter und Hausfrau verschiedene zeitintensive Pflegetätigkeiten für Familienangehörige übernommen habe. So sei der Sohn der Tochter als Frühgeburt mit schweren Gesundheitsschäden zur Welt gekommen. Daneben habe sie noch die Versorgung der 90-jährigen Mutter des Ehemannes und ab 2004 die Pflege des kranken Ehemannes übernommen.

Da eine berufsmäßige Ausübung der Pflegschaften nicht festgestellt worden sei, habe sie auch keinen Anspruch auf Vergütung. V...

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