Entscheidungsstichwort (Thema)

Kapitalertragsteuer für steuerbefreite Körperschaft Verfassungsmäßigkeit der Regelung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Befreiung von der KSt für berufsständische Versorgungseinrichtungen gilt nicht für inländische Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen.
  2. § 5 Abs. 2 Nr. 1 KStG ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Mit der Einschränkung der Steuerbefreiung für Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen, bewegt sich der Gesetzgeber innerhalb des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums in Bezug auf die Auswahl des Steuergegenstandes.
 

Normenkette

KStG § 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1; GG Art. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.05.2022; Aktenzeichen VIII R 2/18)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Belastung der Klägerin als steuerbefreiter Körperschaft mit Kapitalertragsteuer auf der Grundlage des § 5 Abs. 2 Nr. 1 KStG verfassungsgemäß ist.

Die Klägerin ist ein gem. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG unbeschränkt steuerpflichtiges, jedoch nach § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG steuerbefreites berufsständisches Versorgungswerk. Rechtsgrundlagen ihrer Errichtung sind § 12 Abs. 1 des Kammergesetzes für Heilberufe (HKG) sowie die Alterssicherungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen (ASO). Der Zweck der Klägerin ist die Sicherung der Kammerangehörigen im Alter und bei Berufsunfähigkeit sowie die Sicherung der Hinterbliebenen. Nach § 1 ASO ist die Klägerin eine unselbständige Anstalt der Ärztekammer Niedersachen, kann jedoch im Rechtsverkehr unter eigenem Namen handeln, klagen und verklagt werden.

Im Streitjahr 2010 erzielte die Klägerin - u.a. - die folgenden Kapitalerträge:

Am … 2014 beantragte die Klägerin die Erteilung eines Bescheides über die Freistellung von der Kapitalertragsteuer und dem Solidaritätszuschlag gem. § 155 AO hinsichtlich der im Kalenderjahr 2010 bezogenen Kapitalerträge.

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom … ab.

Zur Begründung führte er aus, der Klägerin seien Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zugeflossen, für die gem. §§ 31 Abs. 1 Satz 1 KStG, 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, 32 Abs. 1 Nr. 1 KStG, 5 Abs. 2 Nr. 1 KStG Kapitalertragsteuer (und Solidaritätszuschlag) mit Abgeltungswirkung einbehalten und abgeführt worden sei. Eine Abstandnahme vom Steuerabzug sei nur gem. § 44a Abs. 8 EStG vorzunehmen. Eine Freistellung nach anderen Vorschriften scheide aus. Insbesondere lägen die Voraussetzungen der § 44a Abs. 1, § 44a Abs. 4, § 44a Abs. 7 oder § 44b Abs. 5 EStG nicht vor. Insoweit wird wegen der Begründung im Einzelnen Bezug genommen auf die Ausführungen im Ablehnungsbescheid vom ...

Die (einfach-) gesetzlich vorgeschriebene Abgeltungswirkung verletze die Klägerin nicht in ihren Grundrechten und verstoße insbesondere nicht gegen Art. 3 des Grundgesetzes. Der Gesetzgeber habe mit der Ausgestaltung der Vorschriften den ihm eingeräumten weiten Entscheidungsspielraum nicht überschritten. Hinsichtlich der Begründung des Beklagten im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Ausführungen im Ablehnungsbescheid vom 27.3.2015.

Hiergegen hat die Klägerin Sprungklage erhoben. Der Beklagte hat der Sprungklage fristgemäß zugestimmt.

Die Klägerin führt zunächst aus, die Erhebung der Sprung-Verpflichtungsklage sei zulässig. Ein Vorverfahren sei entbehrlich, da der Beklagten der Sprungklage innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift zugestimmt habe.

Verfahrensrechtlich sei für die Klägerin nur der Weg einer Verpflichtungsklage möglich. Ein Einspruch (und damit nachfolgend eine Anfechtungsklage) gegen die Kapitalertragsteueranmeldung sei nicht erfolgversprechend, denn nach der Rechtsprechung des BFH könne der Vergütungsgläubiger im Wege der Drittanfechtung nur prüfen lassen, ob der Vergütungsschuldner die Steueranmeldung vornehmen durfte. Dies sei jedoch bereits dann zu bejahen, wenn die Voraussetzungen für den Steueranspruch zweifelhaft seien. Die Steueranmeldung könne daher nicht mit dem Argument der Verfassungswidrigkeit angegriffen werden. Zudem komme auch ein Änderungsantrag nach § 164 Abs. 2 AO nicht in Betracht. Hier gelte das zum Einspruch gegen die Steueranmeldung Ausgeführte. Ebenfalls sei ein Antrag nach § 44b Abs. 5 EStG nicht möglich, weil die Klägerin hier nicht antragsberechtigt sei. Anträge nach § 50d EStG, nach § 50d EStG analog sowie gem. §32 Abs. 5 KStG analog schieden ebenfalls aus. Hinsichtlich der weiteren Begründung im Einzelnen wird insoweit Bezug genommen auf die umfangreichen Ausführungen in der Klageschrift vom 23.4.2015.

Daher komme nur ein Erstattungsanspruch gem. § 37 Abs. 2 AO in Betracht. Ein solcher Anspruch setze voraus, dass der Steuerpflichtige erfolgreich die Aufhebung / Änderung der Kapitalertragsteueranmeldung betreibe oder den Erlass eines Freistellungsbescheides gem. § 155 Abs. 1 Satz 3 AO erreiche. Wie ausgeführt sei hier nur der Weg des Freistellungsbescheides möglich. Die Klägerin als Steuerpflichtige könne den Erlass eines derartigen Steuerbescheides beantragen.

Zur Begründung ihrer Klage führt die...

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