Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Wahrung der Festsetzungsfrist durch nicht zugegangenen Bescheid (gegen BFH-Urteil vom 31.10.1989, VIII R 60/88, BStBl II 1990, 518 Rev. zug.). Einkommensteuer 1987

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.03.1998; Aktenzeichen IV R 64/96)

 

Tenor

Der Einkommensteuerbescheid 1987 vom 27.12.1993 und der Einspruchsbescheid vom 22.09.1995 werden aufgehoben.

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der an den Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht, ob der angefochtene Einkommensteuerbescheid nach Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen ist. In der Sache geht es um Feststellungen während einer Außenprüfung für die Folgejahre, die auf Anregung des Prüfers zu einer Änderung des unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheids des Klägers (Kl.) durch den Innendienst führten.

Der Kl. ist Steuerberater. Er war an der C. Datenverarbeitungsgesellschaft mbH zu 30 v.H. beteiligt. Diese mußte liquidiert werden, als ihr wesentlicher Geschäftspartner, gegen den noch Forderungen in Höhe von ca. 250.000 DM bestanden, in Konkurs fiel. Der Kl. hatte für die GmbH gebürgt und wurde von der kreditgebenden Bank 1985 in Anspruch genommen. Die Zinsen für das zur Begleichung der GmbH-Verbindlichkeiten aufgenommene Darlehen machte der Kl. im Streitjahr steuermindernd geltend.

Der Kl. gab seine Einkommensteuererklärung 1987 im Jahr 1989 (Bl. 3 Einkommensteuerakte – EStA – 1987) ab. Das damals zuständige Finanzamt F. veranlagte den Kl. unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und setzte die Einkommensteuer auf 0 DM fest. 1993 fand bei dem inzwischen nach B. verzogenen Kl. eine Außenprüfung für die Jahre ab 1988 statt. Der Prüfer vertrat die Auffassung, daß Aufwendungen des Kl. im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft sich nicht steuermindernd auswirken dürften. Nach einem Hinweis des Prüfers änderte der Beklagte (Bekl.) den Einkommensteuerbescheid 1987 entsprechend der Rechtsauffassung des Prüfers, erhöhte die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und kürzte die Verlustvorträge. Die Einkommensteuer wurde auf 26.010 DM festgesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Einkommensteuerbescheid vom 27.12.1993 nebst Anlage (Bl. 11 Gerichtsakte-GA) verwiesen. Der Finanzbeamte R. führte am 15.12.1993 die EDV-Eingabe der geänderten Daten durch. Der Änderungsbescheid mit dem maschinell aufgedruckten (Absende-)Datum 30.12.1993 lag dem FA am 22.12.1993 vor. Der Finanzbeamte R. will dann den Bescheid auf den 27.12.1993 vordatiert und am 27.12.1993 mittags persönlich in die Poststelle gebracht und auf den Stapel der abzusendenden Briefe gelegt haben. Auf den Vermerk des Finanzbeamten R. (Bl. 22 GA) wird verwiesen.

Nach der im FA B. im Jahr 1993 bestehenden Übung wurde die abzusendende Post zunächst frankiert und verschlossen, sodann zum Transport in Kisten gepackt und dann einmal täglich mit dem Pkw zu einem Postamt befördert und abgeliefert (Vermerk vom 16.01.1996 – Bl. 23 GA).

Der Kl. reichte die Mahnung der Finanzkasse wegen Einkommensteuer 1987 vom 01.03.1994 an den Bekl. zurück mit dem Bemerken, es müsse sich um einen Irrtum handeln, da ihm ein Steuerbescheid, nach dem er Einkommensteuer für 1987 zu zahlen habe, nicht vorliege (Bl. 37 EStA). Mit Schreiben vom 10.03.1994 übersandte der Bekl. dem Kl. Fotokopien des geänderten Einkommensteuerbescheids 1987 nebst Anlage. Demgegenüber berief sich der Kl. darauf, daß Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Der Bekl. sah hierin einen Einspruch. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen (Bl. 15 GA). Zwar könne – so der Bekl. im Einspruchsbescheid – davon ausgegangen werden, daß der am 27.12.1993 abgesandte Bescheid dem Kl. nicht zugegangen sei. Unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 31.10.1989 (VIII R 60/88, BStBl II 1990, 518) meinte der Bekl., die Festsetzungsfrist sei aber auch dann gewahrt, wenn der Steuerbescheid vor Ablauf der Festsetzungsfrist den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen und die Finanzbehörde alle Voraussetzungen eingehalten habe, die für den Erlaß eines wirksamen Steuerbescheids vorgeschrieben seien. Nicht erforderlich sei es, daß der Bescheid dem Adressaten tatsächlich zugehe und wirksam werde. Es genüge, wenn der Bescheid nach dem Inhalt der Steuerakten hätte wirksam werden können. Hiergegen richtet sich die Klage.

Der Kl. meint weiterhin, der angefochtene Bescheid sei erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen. Der Bekl. habe nicht, wie es erforderlich sei, die Übergabe des Bescheides und seiner Anlage zur Beförderung an die Deutsche Bundespost dokumentiert. Im übrigen bestünden auch in der Sache Bedenken gegen die Prüfungsfeststellungen, die zu dem Änderungsbescheid geführt haben....

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