vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [XI R 33/09)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Befreiung von der Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen auf elektronischem Weg

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. § 18 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 UStG 2009 verknüpft eine Ermessensentscheidung der FinVerw mit Billigkeitserwägungen; die Vorschrift ist als eine einheitliche Ermessensvorschrift zu verstehen.
  2. Die grundsätzliche Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen in elektronischer Form liegt innerhalb des verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers. Dieser hat insoweit eine zulässige Berufsausübungsregelung i. S. des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG getroffen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird dadurch nicht verletzt.
  3. Der Umstand, dass ein Stpfl. selbst weder über einen Computer noch über einen Internetzugang verfügt, führt als solcher nicht dazu, dass dem Antrag stattzugeben wäre, weiterhin Umsatzsteuer-Voranmeldungen in Papierform abzugeben.
  4. Die für eine Steuererklärung erforderlichen Mittel muss der Unternehmer auf eigene Kosten beschaffen.
  5. Über Befreiungsanträge hat das FA nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Situation des Stpfl. zu entscheiden.
 

Normenkette

UStG § 18 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2005

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.03.2012; Aktenzeichen XI R 33/09)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin berechtigt ist, ihre Umsatzsteuervoranmeldungen nach dem 01.01.2005 weiterhin in herkömmlicher Form (Papierform) abzugeben.

Die Klägerin ist eine … GmbH & Co. KG. Persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin ist die X-GmbH. Deren Geschäftsführer sind die Eheleute A und B sowie deren Kinder C und D.

Einziger Kommanditist der Klägerin ist Herr A.

Die Klägerin erzielt Umsätze aus der Vermietung von Betriebsgrundstücken an verbundene Unternehmen. Die Klägerin erstellt ihre Buchführung mit einem amerikanischen Journal. In den Jahren 2005 - 2008 erwirtschaftete die Klägerin ausweislich ihrer Jahresabschlüsse jeweils einen Gewinn in einer Höhe von mehr als … €.

Am 14.12.2004 ging beim Beklagten ein Schreiben des Herrn A ein, das die Steuernummer der Klägerin (…) aufweist und u. a. folgenden Wortlaut hat:

„Umsatzsteuervoranmeldung 2005 …

Ich beantrage hiermit, auch in Zukunft die Meldungen auf amtlichem Formular handschriftlich abgeben zu dürfen, weil ich

a) aus technischer Sicht,

b) aus persönlichen Gründen,

nicht in der Lage bin, der Vorschrift zu entsprechen.

Die Buchhaltung ist so klein, dass sie zurzeit ohne elektronische Hilfe erledigt werden kann. Außerdem verfügt die Buchhaltung nicht über die erforderliche Hard- und Software. Zusätzlich ist anzumerken, dass die Sachbearbeitung noch nicht in der Lage ist, mit einem PC umzugehen. Wie Sie wissen, darf im Arbeitsleben kein Mitarbeiter wegen seines Alters, seiner Religion oder seiner politischen Ansichten benachteiligt oder bevorzugt werden.

Aus den vorgenannten Gründen würde bei einer Ablehnung meiner Bitte eine unbillige Härte vorliegen, wenn Sie auf einer Meldung mit elektronischer Hilfe bestehen. …”

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Schreiben vom 21.12.2004 mit folgender Begründung ab: „… Zur Vermeidung unbilliger Härten kann das Finanzamt in Ausnahmefällen weiterhin die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung bzw. Lohnsteuer-Anmeldung in herkömmlicher Form (Papier) zulassen. Ein Härtefall kann vorliegen, wenn und solange es dem Unternehmer bzw. Arbeitgeber nicht zumutbar ist, die notwendigen technischen Voraussetzungen für die elektronische Übermittlung zu schaffen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Unternehmer/Arbeitgeber

- finanziell nicht in der Lage ist, entsprechende Investitionen zu tätigen oder

- kurzfristig eine Einstellung seiner betrieblichen Tätigkeit beabsichtigt oder

- in nächster Zeit eine Umstellung der Software/Hardware beabsichtigt.

Das Fehlen eines Computers/Internetzugangs bzw. mangelnde technische Kenntnisse stellen keinen Härtefall dar. Nach Aktenlage ist auch nicht erkennbar, dass Sie nicht in der Lage sind, entsprechende Investitionen zu tätigen.

Die Prüfung Ihres o. g. Antrags hat – unter Berücksichtigung der v. g. Ausführungen – ergeben, dass eine unbillige Härte in Ihrem Fall nicht vorliegt. Ihrem Antrag zur Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung / Lohnsteuer-Anmeldung in herkömmlicher Form kann ich daher leider nicht entsprechen.

Ich stelle deshalb anheim, entweder entsprechende technische Voraussetzungen zu schaffen oder sich an einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe zu wenden. …”

Den hiergegen eingelegten Einspruch lehnte der Beklagte mit folgender Begründung ab:

„… Zur Vermeidung unbilliger Härten kann das Finanzamt in Ausnahmefällen weiterhin die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung bzw. Lohnsteuer-Anmeldung in herkömmlicher Form (Papier) zulassen. Ein Härtefall kann vorliegen, wenn und solange es dem Unternehmer bzw. Arbeitgeber nicht zumutbar ist, die notwendigen technischen Voraussetzungen für die elekt...

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