Entscheidungsstichwort (Thema)

Entstehungszeitpunkt der Umsatzsteuer beim Wechsel von der Ist- zur Soll-Besteuerung; Umsatzsteuer-Entstehungszeitpunkt; Ist-Besteuerung; Soll-Besteuerung; Vereinnahmung des Entgelts

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. § 20 Abs. 1 UStG trifft keine Regelung zum Entstehungszeitpunkt der Steuer.
  2. Das gilt auch bei einem Wechsel von der Ist- zur Soll-Besteuerung.
  3. Über den Entstehungszeitpunkt der USt entscheidet die bei Ausführung eines Umsatzes geltende Art der Steuerberechnung.
  4. Bis zum Wechsel von der Ist-Besteuerung zur Soll-Besteuerung ist deshalb die Vereinnahmung des Entgeltes maßgebend.
 

Normenkette

UStG § 20 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.01.2003; Aktenzeichen V R 58/01)

 

Tatbestand

Die Klägerin wurde mit Vertrag vom 30. Juli 1991 als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet. Gesellschaftszweck war der Ankauf eines Grundstücks, die Errichtung eines Einkaufszentrums sowie dessen Vermietung oder Veräußerung. Mit Bescheid vom 15. Mai 1992 genehmigte der Beklagte die von der Klägerin beantragte Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG.

Mit Vertrag vom 11. September 1992 verkaufte die Klägerin eine Teilfläche des von ihr erworbenen Grundstücks einschließlich des aufstehenden, mittlerweile fertiggestellten Einkaufszentrums an den Kaufmann R (Erwerber). Hierfür stellte sie dem Erwerber mit Rechnung vom 1. Dezember 1992 40.234.013,00 DM zuzüglich 5.689.089,44 DM Umsatzsteuer in Rechnung. Nach den Feststellungen einer bei der Klägerin durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung hatte die Klägerin einen Teil des Entgeltes in Höhe von 1.429.639 DM zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 200.149,46 DM weder im Jahr 1992 noch im Streitjahr 1993 vereinnahmt und deshalb auch nicht der Umsatzsteuer unterworfen. Hinsichtlich der Einzelheiten der Prüfungsfeststellungen wird auf den Prüfungsbericht vom 4. November 1996 Bezug genommen.

Im Anschluß an die Umsatzsteuersonderprüfung ging der Beklagte vom Fortfall der Voraussetzungen einer Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten im Streitjahr aus und unterwarf die von der Klägerin ausgeführten Umsätze auch soweit das Entgelt hierfür noch nicht vereinnahmt worden war, der Umsatzsteuer. Dabei handelte es sich um ein noch nicht vereinnahmtes Nettoentgelt in Höhe von 1.429.639 DM.

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage. Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass sie die noch vor dem Wechsel zur Sollversteuerung ausgeführten Umsätze erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung versteuern müsse.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer 1993 mit ... DM festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung seines Antrags trägt der beklagte vor, der Gesamtumsatz der Klägerin habe im Jahr 1992 über 250.000 DM betragen und damit über der Grenze des § 20 Abs. 1 UStG gelegen. Damit seien die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten im Streitjahr 1993 entfallen. Die noch vor dem Wechsel von der Ist-Besteuerung zur Soll-Besteuerung ausgeführten und abgerechneten Umsätze seien im Zeitpunkt des Wechsels der Besteuerungsform und damit im Streitjahr zu erfassen gewesen. Eine Besteuerung erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung berge die Gefahr, dass die Besteuerung unterbleibe.

Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Steuerakten zu Steuer-Nr. ... sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klage ist zulässig, obwohl der Prozeßbevollmächtigte formell einen Klageantrag gestellt hat, aus dem sich die für die Zulässigkeit einer Klage nach § 40 Abs. 2 FGO erforderliche Beschwer nicht ergibt. Im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 1993 vom 16. Dezember 1996 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 18. April 1987 ist die Umsatzsteuer auf ./. 438.328,00 DM festgesetzt. Mit seinem Antrag begehrt der Prozeßbevollmächtigte, die Steuer auf 132.489,94 DM, also höher als im angefochtenen Bescheid, festzusetzen. Das wirkliche Klagebegehren kann aber vorliegend unter Einbeziehung der Begründung im Wege der Auslegung ermittelt werden. Danach geht es der Klägerin darum, die vor dem Wechsel zur Soll-Besteuerung ausgeführten Umsätze, für die das Entgelt noch nicht vereinnahmt worden ist, erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgeltes versteuern zu müssen. Hierbei handelt es sich im Streitjahr um Umsatzsteuern in Höhe von 200.149,46 DM. Der Antrag ist deshalb dahingehend auszulegen, dass eine Herabsetzung der Umsatzsteuer um diesen Betrag begehrt wird.

Die Klage ist auch begründet. Es gibt keine Rechtsgrundlage dafür, die Umsätze, die die Klägerin vor dem Wechsel der Art der Steuerberechnung zwar ausgeführt, für die sie aber das Entgelt noch nicht vereinnahmt hat, im Streitjahr der Besteuerung zu unterwerfen. Die Umsatzsteuer entsteht gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (Soll-Besteue...

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