vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Wegfall der Umsatzsteuerbefreiung für Glücksspiele mit Geldeinsatz

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Regelung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG, wonach Glücksspiele mit Geldeinsatz nicht mehr von der USt befreit sind, verstößt nicht gegen Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts.

 

Normenkette

UStG §4 Nr. 9 Buchst. b

 

Streitjahr(e)

2006, 2007

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 16.04.2012; Aktenzeichen 1 BvR 523/11)

BFH (Urteil vom 10.11.2010; Aktenzeichen XI R 79/07)

BFH (Beschluss vom 17.12.2008; Aktenzeichen XI R 79/07)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Glücksspielen mit Geldeinsatz nach § 4 Nr. 9 Buchstabe b) UStG (i.d.F. des Gesetzes zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen, BGBl. I 2006, 1095).

Die Klägerin betreibt eine Spielhalle mit Geldspielautomaten. Sie ist zur monatlichen Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen verpflichtet. In ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Januar 2007 erklärte die Klägerin steuerpflichtige Umsätze zum Steuersatz von 19 % i.H.v. 17.265 EUR und abziehbare Vorsteuerbeträge von 299,84 EUR. Daraus ergab sich eine Zahllast von 2.980,51 EUR. Gegen die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für Januar 2007 legte die Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die zum 06.05.2006 in Kraft getretene Neuregelung des § 4 Nr. 9 Buchstabe b) UStG gegen das Gemeinschaftsrecht der EU verstoße. Nach den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts müssten ausnahmslos Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz von der Umsatzsteuer befreit werden. Ausnahmen wie sie § 4 Nr. 9 Buchstabe b) UStG jetzt statuiere, indem Umsätze der öffentlichen und privaten Geldspielautomatenbetreiber der Umsatzsteuer unterworfen würden, seien gemeinschafts-rechtlich nicht vorgesehen.

Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) hat den Einspruch der Klägerin mit Einspruchsbescheid vom 29.03.2007 als unbegründet zurückgewiesen. Gemeinschaftsrechtlich sei jeder Mitgliedstaat der EU befugt, in den Grenzen des Neutralitätsgrundsatzes Einschränkungen von der Steuerbefreiung vorzunehmen und Art und Umfang der Steuerbefreiung für die erfassten Glücksspiele eigenständig zu bestimmen.

Gegen diese Entscheidung des FA richtet sich die Klage. Die Klägerin vertritt weiter die Auffassung, dass die Erhebung der Umsatzsteuer auf Einnahmen aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit europarechtswidrig sei. Die Klägerin verweist zur Begründung ihrer Klage auf ein Kurzgutachten des Ass.jur Lutz Wöhler, das dieser im Auftrag des Verbandes der Automatenaufsteller Deutschland e.V. am 01.11.2006 unter dem Titel „Die offenkundige und eindeutige Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der seit dem 6.Mai 2006 geltenden geänderten deutschen Umsatzsteuerbestimmung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG” erstellt hat.

Danach sähen die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben generell eine Umsatzsteuerbefreiung von Wetten, Lotterien und sonstigen Glücksspielen mit Geldeinsatz vor (Art. 13 Teil B Buchstabe f) der 6. EG-RL). Schon nach dem Wortlaut der Vorschrift sei ausnahmslos das gesamte Glücksspiel mit Geldeinsatz von der Umsatzsteuer zu befreien. Hätte der Gemeinschaftsgesetzgeber den Mitgliedstaaten eine Auswahl überlassen wollen, hätte er sich nicht für die Konjunktion „und” entschieden, sondern die Konjunktion „oder” verwendet. Art. 13 Teil B Buchstabe f) der 6. EG-RL lege fest, dass das gesamte Glücksspiel, also Wetten, Lotterien „und” alles, was sonst noch als Glücksspiel bezeichnet und mit Geldeinsatz gespielt werde von der Umsatzsteuer zu befreien sei.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das zu den Gerichtsakten gereichte Gutachten des Ass.jur Lutz Wöhler vom 01.11.2006 (Bl. 40 – 48 der Gerichtsakte) verwiesen.

Hinzu komme – so die Klägerin –, dass bei der Umsatzsteuer grundsätzlich von einer Abwälzbarkeit auf den Endverbraucher ausgegangen werde. Eine solche Abwälzbarkeit sei aber bei der Umsatzbesteuerung von Glücksspieleinnahmen nicht gegeben, denn die Spielverordnung schreibe dem Veranstalter genau vor, dass ein Spiel 0,20 EUR kosten müsse. Daran habe sich im Übrigen durch die Erhöhung des Regelsteuersatzes von 16 % auf 19 % zum 01.01.2007 nichts geändert. Im Übrigen habe auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 17.06.2005 zur damals noch geplanten Änderung des § 4 Nr. 9 Buchstabe b) UStG die Auffassung vertreten, dass mit der Änderung der Vorschrift gegen EU-Recht verstoßen werde.

Schließlich habe der EuGH in der Entscheidung vom 13.07.2006 (C-89/05) ausgeführt, dass die Steuerbefreiung von Wetten, Lotterien und Glücksspielen auch durch praktische Erwägungen veranlasst sei, da sich Glücksspielumsätze nicht für die Anwendung der Mehrwertsteuer eigneten. Dies alles habe der deutsche Gesetzgeber bei der mit Wirkung vom 06.05.2006 vorgenommenen Änderung nicht beachtet.

Die Klägerin beantragt,

den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für Januar 2007 vom 02.03.2007 und den dazugehörigen Ein...

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