vorläufig nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerberaterprüfung: Wiederholung der mündlichen Prüfung aufgrund Verfahrensfehlern

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zum Inhalt und zu den Anforderungen an den mündlichen Teil der Steuerberaterprüfung.
  2. Es kann der fachlichen Verantwortung des Prüfungsausschusses überlassen bleiben, die Prüfungsfragen so auszuwählen, dass der Zweck der Steuerberaterprüfung Erfolg hat.
  3. Ein Anspruch des Bewerbers darauf, in bestimmten Prüfungsgebieten tatsächlich geprüft zu werden, besteht nicht.
  4. In Fällen, in denen die Bewertung der Prüfungsleistung nicht/nicht ausreichend begründet worden ist und eine substantielle Begründung wegen Zeitablaufs nicht mehr nachholbar ist, muss die negative Prüfungsentscheidung aufgehoben und dem Prüfling Gelegenheit gegeben werden, die Prüfung erneut abzulegen.
  5. Die erneute Prüfung ist so zu gestalten, dass durch den Zeitablauf hervorgerufene Erschwernisse der Prüfung im Interesse des Prüflings im gebotenen Umfang aufgefangen werden.
  6. Es ist einem Prüfling nicht zuzumuten, während einer mündlichen Prüfung das (vermeintliche) Schlafen eines Prüfers zu rügen.
 

Normenkette

StBerG § 37

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Bewertung der Steuerberaterprüfung 2010/2011.

Der Kläger studierte an der Universität … Betriebswirtschaft mit dem Studienschwerpunkt Rechnungswesen und Controlling. 2002 legte er die Diplomprüfung als Diplom-Betriebswirt (FH) ab. Seit April 2007 ist der Kläger als Assistent in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig.

Die Steuerberaterprüfung 2009 bestand der Kläger nicht, da er bei dieser Prüfung eine Gesamtnote für die schriftliche Prüfung von 4,83 erzielte.

Bei der Steuerberaterprüfung 2010 wurde der Kläger zur mündlichen Prüfung zugelassen, nachdem er für die schriftliche Prüfung eine Gesamtnote von 4,5 erzielt hatte.

Am 28.01.2011 legte der Kläger den mündlichen Teil der Steuerberaterprüfung ab. Dem Kläger wurden im Anschluss an die mündliche Prüfung das Nichtbestehen der Prüfung, die Gesamtnote der mündlichen Prüfung und die Einzelnoten für die Prüfungsteile „Vortrag”, „Berufsrecht” und „Betriebswirtschaft und Rechnungswesen” mitgeteilt.

Nach Mitteilung des Vorsitzenden der Prüfungskommission wurde dem Kläger auch das Notenspektrum der einzelnen Prüfungsteile („von 3,5 bis 5,0”) mitgeteilt. Der Kläger habe die Gelegenheit erhalten, weitere Einzelnoten zu erfragen; diese habe er nicht wahrgenommen.

Das Protokoll der mündlichen Prüfung enthält hierzu folgende Angaben:

„Der Kandidat/ die Kandidaten –, die die Prüfung nicht bestanden haben, begehrten die Bekanntgabe der tragenden Gründe der Entscheidung nach § 28 Abs. 2 DVStB. Sie wurden daraufhin durch den Prüfungsausschuss über die tragenden Gründe [der] Bewertung ihrer Prüfungsleistungen unterrichtet.

alternativ:

Der Kandidat/ die Kandidaten –, die die Prüfung nicht bestanden haben, verzichteten auf eine Bekanntgabe der tragenden Gründe der Entscheidung nach § 28 Abs. 2 DVStB.”

Die Leistungen des Klägers in der mündlichen Prüfung wurden wie folgt bewertet:

1.

Vortrag

4,00

2.

Berufsrecht

4,00

3.

Betriebswirtschaft und Rechnungswesen

5,00

4.

Ertragsteuern

4,00

5.

Ertragsteuerliche Gewinnermittlung

4,00

6.

Steuerliches Verfahrensrecht

4,00

7.

Volkswirtschaftslehre

3,50

Hieraus ergab sich für die mündliche Prüfung eine Note von 4,07 und eine Gesamtnote der Steuerberaterprüfung von 4,28.

Ein Mitglied der 6-köpfigen Prüfungskommission, Herr X, leidet an einer allergischen Konjunktivitis, die sich in stark juckenden und geröteten Augen, in Hautrötung um die Augen und geschwollenen Lidern sowie einer Lichtempfindlichkeit (Schlitzaugen) äußert. Er benötigt eine Brille mit dicken Spezialgläsern. Ohne Kenntnis der Krankheit kann bei gegenüber sitzenden Personen der Eindruck von geschlossenen Augen entstehen. Dies wurde dem Kläger erst während des Klageverfahrens mitgeteilt.

Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Steuerberaterprüfung wurde der Kläger wie folgt belehrt:

„Sie haben die Möglichkeit, innerhalb eines Monats ab heute Klage gegen die Prüfungsentscheidung beim Niedersächsischen Finanzgericht zu erheben. Die Klage ist gegen das Niedersächsische Finanzministerium, vertreten durch die Steuerberaterkammer Niedersachsen, zu richten.

Falls Sie sich gegen die Bewertung Ihrer mündlichen Prüfungsleistungen wenden wollen, müssen Sie in selbstkritischer Auseinandersetzung mit der eigenen Prüfungsleistung schriftlich konkret darlegen, warum aus Ihrer Sicht die Bewertung in fachlicher und/oder prüfungsspezifischer Hinsicht auf angreifbaren Erwägungen der Prüfer beruht oder beruhen kann.

Ihre Einwendungen müssen Sie so schnell wie möglich vorbringen. Sie müssen berücksichtigen, dass wegen der Vielzahl der mündlichen Prüfungen die Erinnerungen der Prüfer an eine einzelne mündliche Prüfung schnell verblasst. Nach der Rechtsprechung ist nach Ablauf von zwei Monaten eine schriftliche Begründung für die Bewertung einer mündlichen Prüfungsleistung nicht mehr möglich. Nachteile, die sich ...

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