vorläufig nicht rechtskräftig

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [VIII R 41/11)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfärberegelung: Gewerbesteuermessbeträge 2007 und 2008

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zur Frage, ab wann eine originär gewerbliche Tätigkeit zu Anwendung der Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG führt.
  2. Die Höhe des Freibetrages nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG stellt eine geeignete Größe zur Anwendung der Abfärberegelung dar.
 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 3 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

2007, 2008

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.08.2014; Aktenzeichen VIII R 41/11)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Einkünfte der Klägerin als gewerbliche Einkünfte anzusehen sind.

Die Klägerin wurde zum 1. Januar 2007 als Werbeagentur von den zu jeweils hälftig beteiligten Gesellschaftern K. und P. gegründet und zum 30. Juni 2008 wieder abgemeldet. Seit dem 1. Juli 2008 wird die Geschäftstätigkeit durch die P. GmbH mit denselben Beteiligten fortgeführt.

Die Klägerin hat ihren Gewinn durch Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (im Folgenden: EStG) ermittelt und in ihren Steuererklärungen Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erklärt.

Bei einer im Jahr 2009 durchgeführten Außenprüfung des Prüfungszeitraums 2007 wurde festgestellt, dass in den bisher erklärten Einkünften aus selbständiger Tätigkeit auch Einnahmen aus Provisionszahlungen enthalten waren, die als Entgelt für die Vermittlung von Druckaufträgen gezahlt wurden und unstreitig den Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit zuzurechnen waren. Laut Bericht der Außenprüfung vom 17. Juli 2009 betrugen die Einnahmen aus Provisionszahlungen im Prüfungszeitraum 2007 insgesamt 10.840 € und damit 4,18% der Gesamterlöse (netto) in Höhe von 259.330,52 €. Der Anteil der erklärten Provisionen im Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2008 am Gesamterlös betrug 4,91% (8.237,26 € von 167.724 €).

Die Beklagte sah die Voraussetzungen der sog. Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als gegeben an, da die in dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11. August 1999 (XI R 12/98, BStBl. II 2000, 229) genannte Geringfügigkeitsgrenze von 1,25% überschritten war. Dementsprechend qualifizierte sie sämtliche Einkünfte der Klägerin in Bescheiden für das Jahr 2007 vom 27. Juli 2009 und für das Jahr 2008 vom 22. Oktober 2009 als solche aus Gewerbebetrieb und setzte gleichzeitig für die Streitjahre Gewerbesteuermessbeträge fest. Der für die Klägerin maßgebliche Gewerbesteuerhebesatz beträgt 430%.

Nach erfolglosem Vorverfahren hat die Klägerin am 30. Juli 2010 Klage erhoben.

Sie ist der Auffassung, der Anteil der gewerblichen Einnahmen am Gesamterlös sei als nur geringfügig einzuordnen, und verweist auf die von dem Finanzgericht Münster in seinem Urteil vom 19. Juni 2008 (8 K 4272/06 G, EFG 2008, 1975) genannte Grenze von 5%.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Bescheid für 2007 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 27. Juli 2009 und den Bescheid für 2008 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 22. Oktober 2009, jeweils in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 29. Juni 2010, ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bleibt bei seiner Auffassung, dass die Geringfügigkeitsgrenze aufgrund der genannten Entscheidung des Bundesfinanzhofs bei 1,25% anzusetzen und daher im Streitfall überschritten sei.

 

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist begründet.

Die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für die Streitjahre vom 27. Juli 2009 und vom 22. Oktober 2009 und die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung). Die Tätigkeit der Klägerin ist nicht als gewerblich zu qualifizieren.

1. Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (im Folgenden: GewStG) jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG ist unter Gewerbebetrieb ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen. Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG ist eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als eine Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Als Gewerbebetrieb in vollem Umfang gilt allerdings nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG auch die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen Personengesellschaft, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 der Vorschrift ausübt.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Haupttätigkeit der Klägerin auf dem Gebiet des Webdesigns nicht als gewerbliche Tätigkeit in diesem Sinne, sondern als freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 ...

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