rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Behinderten-Pauschbetrag bei Tätigkeit in Behindertenwerkstatt

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der Lebensbedarf eines behinderten Kindes setzt sich nach der BFH-Rspr. typischerweise aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) und dem behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen. Erfolgt kein Einzelnachweis seitens des Stpfl., kann der maßgebliche Behinderten-Pauschbetrag als Anhalt für den betreffenden Mehrbedarf dienen.
  2. Bei vollstationärer Unterbringung eines Kindes eignet sich der maßgebliche Behinderten-Pauschbetrag nicht als Anhalt für den betreffenden Mehrbedarf, da in den Heimkosten verschiedene Kostenbestandteile enthalten sind, die vom Pauschbetrag des § 33b Abs. 3 EStG typisierend mit erfasst werden. Lebt das volljährige behinderte Kind aber in einem eigenen Haushalt, in dem es von seinen Eltern versorgt und betreut wird und geht es im Übrigen tagsüber einer Tätigkeit in einer Behindertenwerkstatt nach, gelten die Rechtsprechungsgrundsätze für eine vollstationäre Unterbringung nicht.
 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3, S. 2, § 33b

 

Streitjahr(e)

2002

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 19.05.2004; Aktenzeichen VIII B 245/03)

BFH (Beschluss vom 19.05.2004; Aktenzeichen VIII B 245/03)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte ab August 2002 weiterhin Kindergeld für die Tochter des Klägers leisten muss.

Der Kläger ist Vater einer 1957 geborenen Tochter. Nach den Feststellungen in einem Betreuungsverfahren vor dem Amtsgericht besteht bei der Tochter von Geburt an eine schwerste geistige und körperliche Behinderung aufgrund einer Chromosomenanomalie (Mongolismus). Sie ist auf ständige intensive Pflege und Betreuung angewiesen. Ihre geistigen Fähigkeiten entsprechen denen eines Kindes weit vor dem Schulalter. Laut Bescheid des Versorgungsamtes beträgt die Minderung der Erwerbsfähigkeit 100 %. Im Schwerbehindertenausweis sind die Merkzeichen G, H und RF ausgewiesen. Die Tochter besucht seit 1977 die X-Werkstätten. In dieser teilstationären Einrichtung arbeitet sie an vier Tagen pro Woche, nämlich Montag bis Donnerstag. Als Arbeitsentgelt erhielt sie im Jahr 2002 monatlich 123,15 €. Für jeden Arbeitstag musste sie für das Mittagessen einen Kostenbeitrag in Höhe von 2,50 € leisten. Die Kosten für den Besuch dieser Einrichtung in Höhe von monatlich 1.018,48 € übernimmt die Stadt im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) als Leistung in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen nach § 41 Sozialgesetzbuch IX. Die Tochter wohnt in einer eigenen Wohnung, in der sie von ihren Eltern betreut wird.

Ab dem 01.01.2002 erhielt die Tochter eine monatliche Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 801,38 €, ab dem 01.07.2002 in Höhe von 818,67 €.

Mit Bescheid vom 17.07.2002 hob der Beklagte die bisherige Festsetzung des Kindergeldes für die Tochter ab August 2002 nach § 70 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) auf und teilte mit, die Tochter sei durch eigene Einkünfte/Bezüge imstande, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, den der Beklagte mit Bescheid vom 16.09.2002 als unbegründet zurück wies. Er führte dabei aus, neben dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) könne ein behinderungsbedingter Mehrbedarf nur berücksichtigt werden, wenn keine Eingliederungshilfe nach § 40 BSHG gewährt werde. Die Bezüge seien wie folgt zu ermitteln:

Monatlicher Arbeitslohn

123,15 €

- Arbeitsnehmerpauschbetrag

87,00 €

36,15 €

monatliche Rente

818,67 €

./. Kostenpauschale

15,00 €

./. Werbungskosten

8,50 €

795,17 €

monatlich verfügbares Einkommen

831,32 €

Der Grundbedarf in Höhe von 599 € monatlich sei daher überschritten.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Der Kläger trägt vor, der für den Kindergeldanspruch maßgebliche Gesamtbedarf bestehe aus dem Grundbedarf und dem zusätzlichen behinderungsbedingten Mehrbedarf. Ihm und seiner Frau entstünden erhebliche zusätzliche finanzielle Belastungen insbesondere für Bekleidung, Hygieneartikel, Ernährung, Unterkunft, Hausrat, Heizung, Fahrtkosten und persönliche Bedürfnisse des persönlichen Lebens für ihre Tochter. Bei teilstationären Maßnahmen sei für die Ermittlung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs auf den Pauschbetrag gem. § 33 b Abs. 3 Satz 3 EStG zurückzugreifen. Der Behindertenpauschbetrag sei zu gewähren, weil er zusätzliche Betreuungsleistungen für seine Tochter erbringen müsse, welche mit der Gewährung der Eingliederungshilfe nicht gedeckt seien, denn diese diene lediglich der Abdeckung der Kosten für die Betreuung der Tochter in der Werkstatt. Hier werde die Tochter aber lediglich während der üblichen Arbeitszeiten betreut. Zu den übrigen Zeiten bedürfe sie aufgrund ihrer schwersten Behinderungen der ständigen Betreuung durch ihn und seine Frau. Es entstehe für die Tochter daher ein Mehrbedarf, der eben gerade nicht durch die Eingliederungshilfe gedeckt sei.

Bei Berücksichtigung des Grundbedarfs nebst anzuerkennendem Pauschbetrag gem. § 33 b EStG in H...

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