vorläufig nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Gestaltungsmissbrauch durch Vermittlung steuerfreier Veräußerungsgewinne

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zu den Voraussetzungen eine Gestaltungsmissbrauchs i. S. des § 42 AO.
  2. Ein Gestaltungsmissbrauch kann vorliegen, wenn durch wirtschaftlich gegenläufige Geschäfte allein steuerliche Vorteile erzielt werden sollen, oder wenn anderweitig zivilrechtliche Gestaltungen gewählt werden, die dem wirtschaftlichen Gehalt des Geschäfts nicht angemessen sind.
  3. Beteiligt sich ein Stpfl. an einem Fonds, dessen Vermögen im Wesentlichen dazu verwendet werden soll, den Anlegern durch wirtschaftlich gegenläufige Geschäfte steuerfreie Veräußerungsgewinne zu vermitteln, die das handelsrechtliche Ergebnis des Fonds übersteigen, kann ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gegeben sein.
  4. Der Steueranspruch entsteht beim Gestaltungsmissbrauch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessen rechtlichen Gestaltung entstanden wäre.
 

Normenkette

AO § 42; EStG § 15b; InvStG § 18 Abs. 2b, § 5 Abs. 2 S. 1, § 8 Abs. 7; KStG § 8b Abs. 2

 

Streitjahr(e)

2008

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 29.03.2018; Aktenzeichen I B 79/17)

BFH (Urteil vom 22.12.2015; Aktenzeichen I R 43/13)

BFH (Urteil vom 22.12.2015; Aktenzeichen I R 43/13)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin aus der Anlage in einem Fonds einen steuerfreien Veräußerungsgewinn erzielt hat.

Im Mai 2008 verfügte die Klägerin über freie Liquidität, die von ihr nicht für eigene unternehmerische Zwecke benötigt wurde. Sie entschied sich für eine Kapitalanlage in dem X-Fonds, der von der X-Bank angeboten wurde. Nach dem vom Beklagten vorgelegten Fondsprospekt richtet sich dieser Fonds an in Deutschland steuerpflichtige Unternehmen, die für mehrere Monate über überschüssige Liquidität verfügen und „ausreichende Steuerkapazität” besitzen, „um potentielle, beim Verkauf der Fondsanteile realisierte Verluste anzurechnen”. Der Fonds versprach einen „attraktiven Ertrag, besonders bei Berücksichtigung des möglichen steuerlichen Vorteils”. Nach seinem Anlagekonzept werden bis zu 20 % des Fondsvermögens in zinstragende Wertpapiere investiert mit dem Ziel einer Anlage, die dem 1-Monats-Euribor-Satz entspricht. Mindestens 80 % des Fondsvermögens werden zum Erwerb von „Zero Strike Call Optionsscheinen” verwendet, bei denen das Aktienrisiko vollständig durch Terminverkäufe abgesichert ist. Der Ertrag aus der Anlage in den Optionsscheinen soll - unabhängig von der Marktentwicklung des Aktienmarktes - dem 1-Monats-Zinssatz (abzüglich Kosten) entsprechen. Aus der Perspektive des Investors sollen Aktiengewinne des Fonds dem Investor nach dem Fondsprospekt ein negatives steuerpflichtiges Einkommen zur Verrechnung mit sonstigem steuerpflichtigem Einkommen vermitteln. Unter der Annahme eines 1 Monats-Euribor-Satzes von 4,62 % prognostizierte der Fonds in einer Modellrechnung für Kapitalgesellschaften einen Vorsteuerertrag von 3,46 % p.a., einen Aktiengewinn innerhalb des Fonds von 30 % p.a., steuerlich abzugsfähige Verluste von 25,04 % p.a., einen Gesamtertrag in Höhe von 10,93 % p.a. und einen äquivalenten Vorsteuerertrag in Höhe von 15,57 % p.a.

In einer weiteren Beispielrechnung des Fonds ermittelt dieser bei einem beispielhaft zu erwartenden Steuerbilanzgewinn von 250,37 € eine außerbilanzielle Kürzung gemäß § 8b Abs. 2 und 3 KStG in Höhe von 4.389,99 € und ein hieraus resultierendes zu versteuerndes Einkommen von ./. 4.139,52 €.

Am 15.12.2008 veräußerte die Klägerin alle Fondsanteile … Der steuerrelevante Aktiengewinn wurde von der X-Bank mit 73,05 % des Rücknahmepreises vom 10.12.2008 und mit 36,83 % des Rücknahmepreises vom 14.05.2008 bescheinigt.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe durch diese Anlage einen steuerfreien Veräußerungsgewinn im Sinne des § 8b Körperschaftsteuergesetz (KStG) i.V.m. § 8 Investmentsteuergesetz (InvStG) in Höhe von … € erzielt. …

In ihrer Körperschaftsteuererklärung für 2008 erklärte die Klägerin u.a. einen Jahresüberschuss in Höhe von … €, steuerfreie inländische Gewinne im Sinne des § 8b Abs. 2 KStG in Höhe von … € und nicht abziehbare Ausgaben (5 % dieses Betrags) in Höhe von … €. Hieraus ergab sich ein steuerfreier Veräußerungsgewinn in Höhe von … €.

Mit Bescheid vom 30.11.2009, der unter Vorbehalt der Nachprüfung steht, wich der Beklagte insoweit von der Erklärung ab, als er keinen steuerfreien Veräußerungsgewinn bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens berücksichtigte. Vielmehr minderte er die - erklärungsgemäß ermittelte - Summe der Einkünfte (... €) lediglich um geleistete Spenden und Mitgliedsbeiträge in Höhe von … € und kam so zu einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von … €. Zur Begründung führte er aus, eine Steuerfreiheit nach § 8b KStG liege nicht vor, da es sich um einen Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 Abgabenordnung (AO) handele.

Hiergegen wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit ihrer Klage, die sie wie folgt begründet: ...

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