rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld für volljähriges behindertes Kind

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein Anspruch auf Kindergeld für ein volljähriges behindertes Kind setzt u.a. voraus, dass die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist.
  2. Bei Behinderungen, die erst nach Vollendung des 27. Lebensjahres auftreten, kommt ein Anspruch auf Zahlung von Kindergeld nicht in Betracht.
  3. Der Zeitraum bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres verlängert sich nicht um den Zeitraum des vom Kind geleisteten Wehrdienstes.
 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3

 

Streitjahr(e)

2002

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 02.06.2005; Aktenzeichen III R 86/03)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger für seinen am ........1969 geborenen Sohn S. Kindergeld zu zahlen ist.

Der Sohn des Klägers ist nach einem Verkehrsunfall am .......... 1997 mit einem Grad von 100 v.H. behindert. Der vom Versorgungsamt D. ausgestellte Schwerbehindertenausweis vom weist die Merkmale „G”, „AG”, „H” und „RF” aus. Mit Antrag vom .......2002 beantragte der Kläger Zahlung von Kindergeld für S. Mit Bescheid vom 3. April 2002 lehnte das Arbeitsamt ....... – Familienkasse – den Antrag mit der Begründung ab, dass die Behinderung des Sohnes nicht vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten sei.

Hiergegen wendet sich der Kläger nach erfolglos gebliebenem Einspruchsverfahren mit der Klage. Der Kläger ist der Auffassung, dass der Gewährung von Kindergeld nicht entgegen stehe, dass die Behinderung erst nach Vollendung des 27. Lebensjahres seines Sohnes eingetreten sei. Denn der Sohn habe – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – in der Zeit vom 1. April 1991 bis 31. März 1992 seinen Wehrdienst abgeleistet. Die Altersgrenze von 27 Jahren verlängere sich deshalb um die Dauer des Wehrdienstes.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, für seinen S. Kindergeld zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Gemäß §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i. V. m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG in der Fassung des Familienförderungsgesetzes vom 22. Dezember 1999 besteht ein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist.

Tritt die Behinderung – wie im Streitfall - nach Vollendung des 27. Lebensjahres auf, scheidet ein Anspruch auf Zahlung von Kindesgeld aus. Denn eine Verlängerung der Frist nach § 32 Abs. 5 EStG um den von dem Sohn geleisteten gesetzlichen Grundwehrdienst kommt nicht in Betracht. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes. § 32 Abs. 5 Satz 1 EStG nimmt ausdrücklich nur Bezug auf § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG und verlängert den Anspruch auf Kindergeldzahlung nur für arbeitslose Kinder und in Ausbildung befindliche Kinder über das 21. und 27. Lebensjahr hinaus. Für den sich aus § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG ergebenden Kindergeldanspruch gilt Abs. 5 dagegen nicht.

Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift im Streitfall scheidet ebenfalls aus. Eine Analogie setzt eine planwidrige Gesetzeslücke voraus. Eine Gesetzeslücke liegt vor, wo das Gesetz, gemessen an seinem eigenen Ziel und Zweck unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und eine Ergänzung nicht einer dem Gesetz gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 16. März 1994 I R 146/93, BStBl II 1994, 941). Hiervon zu unterscheiden ist der „rechtspolitische Fehler”, wenn sich eine gesetzliche Regelung zwar als rechtspolitisch verbesserungsbedürftig, aber nicht als planwidrig, unvollständig und ergänzungsbedürftig erweist (BFH-Beschluss vom 28. Mai 1993 VIII B 11/92, BStBl II 1993, 665).

Nach diesen Grundsätzen liegt eine planwidrige Lücke in der gesetzlichen Regelung nicht vor. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG knüpft die Leistung von Kindergeld an behinderte Kinder an die Voraussetzung, dass die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist.

Nach der Rechtsprechung des BFH zu § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11. Oktober 1995 bestand auch aufgrund der damaligen gesetzlichen Regelung ein Anspruch auf Kindergeld für ein behindertes Kind nur dann, wenn die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juli 2001 VI R 56/98 BStBl II 2001, 832). Diese Regelung knüpft an die frühere Sozialrechtsprechung an, wonach ein sozialrechtliches Kindergeld für ein behindertes Kind nur bestand, wenn die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten war (Urteile des Bundessozialgerichts – BSG- vom 23. Juni 1977, 8/12 RKg 7/77, BSGE 44,106 und vom 14. August 1984 10 RKg 6/83, BSGE 57,108). Diese seinerzeit herrschende Rechtslage ist durch § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG in der hier anzuwendenden Form vom Gesetzgeber ausdrücklich bestätigt worden. So n...

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