Die Begriffe "Nachhaltigkeit" und "Abwicklung von Schäden" werden selten in Kombination genutzt – dies wird sich ändern! Um einen Versicherer ganzheitlich nachhaltig auszurichten, ist der Blick auf die gesamte Wertschöpfungskette notwendig. So rückt auch das nachhaltige Schadenmanagement in den Fokus.

Auch das Schadenmanagement entwickelt sich durch den Einfluss von internen und externen Faktoren weiter, so auch durch das Thema Nachhaltigkeit. Wie auch bei der Unternehmensstrategie (Kapitel 2.1) und der Kapitalanlage (Kapitel 2.2) bestehen einige Ansatzpunkte und Hebel für ein nachhaltiges, nach ESG-Kriterien gesteuertes Schadenmanagement. Am Beispiel des abstrahierten Kfz-Schadenprozesses (Abb. 5) soll anhand ausgewählter Stellheben dargestellt werden, wie Nachhaltigkeit im Schadenprozess integriert werden könnte. Aus Gründen der Vereinfachung wird nicht auf den gesamten Prozess eingegangen, sondern lediglich einzelne Prozessschritte im Kontext von Nachhaltigkeitstrends analysiert.

Abb. 5: Möglichkeiten zur Positionierung eines Versicherers rund um Nachhaltigkeit anhand eines abstrahierten Kfz-Schadenprozesses

1. Prozessschritt: Schadenfall

Um Nachhaltigkeit im Schadenmanagement zu integrieren, sollten Versicherer die negativen ESG-Auswirkungen eines Schadens minimieren. Erster Ansatzpunkt ist es daher, den Eintritt eines Schadens grundsätzlich zu verhindern und für ein stärkeres und aktives Engagement im Kontext Prävention zu sorgen. Hier kommen bspw. Telematik-Tarife als Tool für ESG-orientierte Verhaltensänderung zum Einsatz. Versicherer können das Fahrverhalten der Kunden analysieren und langsameres, vorausschauendes und somit risikoarmes Fahren incentivieren. Durch geändertes Verhalten können der CO2-Fußabdruck der Kunden gesenkt sowie die Wahrscheinlichkeit und die Auswirkung von Schäden nachhaltig reduziert werden. Das Kollektiv profitiert durch reduzierte Schadenquoten und durch günstigere Tarife.

2. Prozessschritt: Schadensmeldung bei Versicherung

Kommt es doch zum Schadenfall, folgt die Schadensmeldung beim Versicherer. Durch den Einsatz von rein digitalen Kontaktmöglichkeiten (z. B. Chat), wird die Schadenregulierung enorm verkürzt und effizient abgewickelt und somit der Meldeprozess nachhaltiger gestaltet. Nachhaltig handeln heißt auch, Ressourcen zu schonen und das beginnt schon bei der papierlosen, CO2-neutralen Antragsstrecke.

3. Prozessschritt: Werkstattmeldung

Einen weiteren Schritt im Rahmen der Nachhaltigkeit ist die Ausrichtung des eigenen Werkstattnetzes auf Nachhaltigkeit sowie das aktive Bewerben der Servicepartner beim Kunden. Der Aufbau und die Weiterentwicklung von Servicepartnern, die ebenfalls nachhaltig agieren, bspw. durch nachhaltige Prozesse (Entsorgung von Schadenstoffen, Nutzung von Ökostrom, usw.), trägt zur Gesamtzielerreichung im Rahmen der gesteckten Nachhaltigkeitsziele bei. Kommt es zum Leistungsfall, übernimmt der Versicherer einen Anteil der Mehrkosten, wenn der Leistungsempfänger den Kfz-Schaden bei einer als nachhaltig zertifizierten Partnerwerkstatt beheben lässt.

4. Prozessschritt: Zusatz- und Serviceleistungen im Rahmen der Schadenbehebung

Auch die Serviceerlebnisse im Rahmen der Schadenregulierung lassen einige konkrete Ansätze zu. Die Versicherer können Zusatzleistungen / Serviceleistungen ausgestalten, die nachhaltig ausgerichtet sind. Bspw. kann dem Kunden ein reines Elektrofahrzeug oder ein Hybridfahrzeug als Ersatzwagen zur Verfügung gestellt werden. Denkbar sind auch Wartungstätigkeiten oder Sicherheitsprüfungen, die die Wahrscheinlichkeit von Folgeschäden reduzieren. Neben diesen häufig auf die Umwelt bezogenen Kennzahlen lassen sich auch Kennzahlen für Soziales oder die Unternehmensführung ableiten. Mögliche soziale Kennzahlen wären z. B. das Reporting über die Themen Arbeitsschutz, oder Arbeitsbedingungen in der Wertschöpfungskette der Schadenregulierung.

5. Prozessschritt (a und b): Fiktive Abrechnung Nachhaltigkeit

Im Rahmen der Regulierung lässt sich durch die Ausgestaltung der Reparatur oder eine fiktive Abrechnung Nachhaltigkeit wirksam im Instandsetzungsprozess integrieren. Durch eine Reparatur, statt einem Austausch oder dem Ausstellen von Gutscheinen respektive der Subvention von nachhaltigen Angeboten (z. B. über Anbieter wie Optiopay), wird ein weiterer Beitrag geleistet. Beide Ansätze tragen nicht nur zu zur aktiven Nachhaltigkeit bei, sondern können auch das Kundenverhalten positiv und hinsichtlich Nachhaltigkeit beeinflussen.

Die ausgeführten Stellhebel zur Steigerung der Nachhaltigkeit im Kfz-Schadenprozesses zeigen, dass Versicherer Nachhaltigkeitstrends entlang des gesamten Schadenprozesses integrieren können.

Erste Initiativen im Markt sind bereits sichtbar. Durch wachsenden Kundendruck sowie die weitere Integration des Schadenprozesses wird Nachhaltigkeit im Schadenfall an Bedeutung gewinnen.

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