Nachhaltiges Handeln wird nicht mehr nur von internationalen Organisationen oder NGOs eingefordert, sondern steht inzwischen auch im Fokus von Versicherungen und Finanzaufsichtsbehörden. Nachhaltigkeitstrends gewinnen folglich auch in der Kapitalanlage zunehmend an Bedeutung. Nach dem Horváth CFO Panel von 2020 berücksichtigen bereits 69 % der deutschen Versicherer ESG-Kriterien in der Kapitalanlage.[1] Als langfristige Investoren und zur Absicherung von langfristigen Risiken haben Versicherer per se ein Interesse an ökonomisch und sozial nachhaltigen Kapitalanlagen.

Abb. 4 zeigt den Einfluss von Nachhaltigkeit auf einzelne Elemente einer modernen Kapitalanlage eines Versicherers. Aus Gründen der Vereinfachung wird exemplarisch auf die Elemente Kapitalstrategie (Nr. 1), Trading (Nr. 6), Reporting (Nr. 8) sowie Datenmanagement (Nr. 10) eingegangen.

Abb. 4: Einfluss von Nachhaltigkeit im Asset Management von Versicherungen

[1] Horváth & Partners, 2020.

2.3.1 Kapitalstrategie

Die Ergebnisse der nachhaltigen Ausrichtung der Unternehmensstrategie muss in der Kapitalstrategie heruntergebrochen werden. Um dies zu erreichen und eine Strategie für nachhaltiges Investieren aufzustellen sowie zu implementieren, beschäftigt sich die Kapitalanlage typischerweise mit diversen Fragestellungen. Die nachfolgenden exemplarischen Fragestellungen ermöglichen das Konkretisieren der verschiedenen Elemente der Kapitalanlage:[1]

  • Wie definiere ich Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage? Welche Ambitionen habe ich im Rahmen der ESG-Integration?
  • Für welche Kriterien arbeite ich mit Positiv-/Negativlisten? Wo setze ich auf Best-in-Class-Ansätze und wie definiere ich diese? Gibt es Steuerungsgrößen auf Portfolio-Ebene oder lediglich Ausschlusskriterien auf Einzelinvestment-Ebene? (Trading)
  • Wie definiere ich die zur Steuerung relevanten ESG-Kriterien für die nachhaltige Kapitalstrategie? Welche Kennzahlen lege ich für die Kapitalanlage zugrunde? (Reporting)
  • Welcher oder welche ESG-Datenprovider passen am besten zu meinen Anforderungen? (Datenmanagement)

Der Prozess zur Beantwortung der obigen Fragestellungen beginnt meist zunächst mit der Herstellung eines gemeinsamen Verständnisses für die Anforderungen und die Ziele in der Organisation. Hierbei hat die EU-Taxonomie (ein Klassifikationssystem das dabei helfen soll, grüne Investments zu erkennen) einen großen Einfluss auf die Kapitalanlage.[2]

Im nächsten Schritt folgt häufig ein Assessment, um einen Überblick über den Status Quo zu verschaffen ("Wo steht das Unternehmen in der Kapitalanlage und was würde die Umsetzung verschiedener Ziele mit Bezug auf die Umstrukturierung der Kapitalanlage bedeuten"). Im letzten Schritt kann ein Entwurf einer Nachhaltigkeitsrichtlinie für die Kapitalanlage konkretisiert werden, welche in die Gesamtunternehmensstrategie eingepasst sein muss.

[1] Deutsche Aktuarvereinigung e. V., 2020.
[2] Vgl. Europäische Kommission, 2018 sowie BMWi, 2020.

2.3.2 Trading

Im Rahmen vom Trading gibt es keine allgemeingültige Definition von Nachhaltigkeit. Stattdessen können die Versicherer zwischen verschiedenen Ansätzen wählen und diese kombinieren. Allgemein gebräuchliche Ansätze werden im Folgenden kurz dargestellt:[1]

  1. Ausschlusslisten: Bei der Anwendung von Ausschlusskriterien soll anhand zuvor festgelegter Kriterien die Kapitalanlage in bestimmte Unternehmen und/oder Staaten vermieden werden. Die dafür erforderliche Analyse des Anlagespektrums kann vom Versicherer selbst oder mit Hilfe von z. B. ESG-Research-Providern erfolgen. Ein Beispiel stellt der Anschluss der Anlage in Hersteller geächteter oder international verbotener Waffensysteme dar.
  2. Positivlisten: Bei Positivlisten legt der Versicherer bestimmte Kriterien fest, anhand derer ein Unternehmen oder eine Branche aus ökologischen, sozialen und Governance-Gesichtspunkten als nachhaltiges Investment eingestuft wird. Unternehmen oder Branchen, die im Rahmen einer vorherigen Analyse einen Mindeststandard erfüllen, werden zur Investition freigegeben. Ein Beispiel sind Unternehmen oder Branchen, die sich erfolgreich für eine nachhaltige Entwicklung oder die Achtung der Menschenrechte einsetzen.
  3. Best-in-Class: Bei dem Best-in-Class-Ansatz werden Unternehmen oder ganze Branchen entsprechend ihrer Bewertung anhand bestimmter Nachhaltigkeitskriterien in eine relative Rangfolge gebracht. Ein Beispiel für den Best-in-Class-Ansatz ist z. B. der MSCI World ESG Leaders Index, welcher ökologische, soziale als auch wirtschaftliche Leistungen beurteilt.
  4. Themenfonds: Zur Berücksichtigung von bestimmten ESG-Kriterien wird vermehrt in nachhaltige Themenfonds investiert. Die Fonds müssen eine nachhaltige Motivation aufweisen und bestimmte ESG-Kriterien einbeziehen. Ein Beispiel stellt eine Investition in erneuerbare Energien dar.
  5. Normbasiertes Screening: Das normbasierte Screening stellt an sich keinen eigenen Ansatz dar, sondern wird i. d. R. in Form von Negativ- und/oder Positivlisten oder Best-in-Class-Ansätzen realisiert. Investitionen werden hierbei untersucht, ob diese internati...

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