Leitsatz

1. Die Organgesellschaft ist auch unter Geltung einer umwandlungssteuerrechtlichen Rückwirkungsfikti­on nicht "vom Beginn ihres Wirtschaftsjahrs an ununterbrochen" (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG) in den Organträger finanziell eingegliedert, wenn die Anteile an der Organgesellschaft im Rückwirkungszeitraum (unterjährig) von einem Dritten auf den Organträger übergehen.

2. Bei der Berechnung der fünfjährigen Mindestlaufzeit eines Gewinnabführungsvertrags bei körperschaftsteuerrechtlicher Organschaft (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG) kann eine umwandlungssteuerrechtliche Rückwirkungsfiktion beachtlich sein, auch wenn sie auf einen Zeitpunkt vor Gründung der Organgesellschaft wirkt.

 

Normenkette

§ 14 Abs. 1 Satz 1, Nr. 1 und Nr. 3, § 8 Abs. 3 Satz 2, KStG, § 2 Abs. 1, § 20 Abs. 7, Abs. 8 UmwStG 2002

 

Sachverhalt

Die klagende AG ist Rechtsnachfolgerin der A GmbH, die wiederum Rechtsnachfolgerin der B GmbH ist. Mit Notarvertrag vom 9.2.2005 (Handelsregistereintragung vom 3.3.2005) wurde die C GmbH als Vorratsgesellschaft gegründet, deren Anteile die B GmbH (alt) mit Vertrag vom 9.8.2005 erwarb. Durch Vertrag vom 16.8.2005 wurde die Firma der C GmbH in B GmbH geändert. Am selben Tag (Handelsregistereintragung vom 2.9.2005) wurden von der B GmbH (alt), die in B Holding GmbH umfirmierte, Teile ihres Vermögens auf die B GmbH als Gesamtheit im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung (mit Wirkung zum 1.1.2005, 00:00 Uhr) übertragen.

Die B Holding GmbH als herrschendes Unternehmen und die B GmbH schlossen am 16.8.2005 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ab, der am 16.11.2005 neu gefasst wurde. In § 4 Abs. 1 der Verträge heißt es: "Der Vertrag wird unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Gesellschafterversammlungen von ... (B Holding GmbH) und ‚Organgesellschaft’ abgeschlossen. Er wird wirksam mit der Eintragung in das Handelsregister der ‚Organgesellschaft’ und gilt für den Zeitraum ab dem 01.01.2005." In § 4 Abs. 2 der Verträge heißt es: "Der Vertrag kann erstmals zum Ablauf des 31.12.2009 unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten gekündigt werden. … ." Die jeweiligen Handelsregistereintragungen datieren vom 18.10.2005 bzw. vom 28.11.2005.

Das FA war der Ansicht, dass es sich bezogen auf die B GmbH als Organgesellschaft bei dem Wirtschaftsjahr 2005 um ein Rumpfwirtschaftsjahr handelt, das am 9.2.2005 begonnen hat. Damit sei durch die Möglichkeit, den Vertrag mit Ablauf zum 31.12.2009 zu kündigen, die Voraussetzung der Mindestlaufzeit von 5 (Zeit-)Jahren nicht erfüllt. Daher setzte es die Gewinnabführungen der Streitjahre (2005 bis 2007) als verdeckte Gewinnausschüttungen i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG einkommenserhöhend an. Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos (FG Düsseldorf, Urteil vom 3.3.2015, 6 K 4332/12 K, F, Haufe-Index 9493129, EFG 2015, 951).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision zum Streitjahr 2005 zurück, sah für die Folgejahre aber weiteren Aufklärungsbedarf (Zurückverweisung an das FG).

 

Hinweis

1. Es geht um zwei Problemkreise bei der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft: Zunächst um das Tatbestandsmerkmal der "finanziellen Eingliederung" (s. zu 2.), sodann um die Mindestvertragslaufzeit (rückwirkender Beginn?) – wobei die letztgenannte Frage angesichts der punktgenauen Zeitdauer des Vertrags (wie üblich: genau 5 Jahre) nur dann erheblich ist, wenn der Umstand, dass im Erstjahr nicht alle gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind ("verunglückte/unterbrochene Organschaft"), nicht zu einer unüberwindbaren Anwendungssperre führt (s. zu 3.).

2. Die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft ist Grundvoraussetzung der Organschaft. Im Streitfall wurde die spätere Organgesellschaft nicht durch die spätere Organträgerin errichtet, vielmehr fand ein (unterjähriger) entgeltlicher Anteilserwerb von einem Dritten (im August 2005) statt.

Auch eine ertragsteuerrechtliche Rückwirkungsfiktion einer Umwandlung könnte jedenfalls in dieser Kons­tellation den Tatbestand der finanziellen Eingliederung der Organgesellschaft "vom Beginn ihres Wirtschaftsjahrs an ununterbrochen" nicht begründen. Denn der Gesetzeswortlaut begründet einen strengen Subjektbezug, der jedenfalls bei Einzelrechtsnachfolge nicht gewahrt ist. Insoweit war für das Erstjahr (2005) schon hier "Schluss". Aber waren die Folgejahre, in denen (unstreitig) alle Tatbestandsmerkmale des § 14 KStG erfüllt waren, "noch zu retten"?

3. Dies konnte mit Blick auf die Mindestvertragsdauer nur gelingen, wenn das Erstjahr vollständig (ab 1.1.) einzubeziehen war. Die umwandlungsbedingte Rückwirkung auf den Beginn des Geschäftsjahrs des Vertragsabschlusses mit rechtzeitiger (bis zum 31.12. erfolgter) Eintragung im Handelsregister begegnete keinen zivil- oder steuerrechtlichen Wirksamkeitsbedenken. Dabei sah es der BFH als unerheblich an, dass der übernehmende Rechtsträger im Rückwirkungszeitraum nicht bereits bestanden hatte. Denn wenn nach § 14 Abs. 1 Satz 2 KStG das gesamte Einkommen des Jahres 2005 erfasst ist und ("mater...

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