3.5.1 Darstellung der vom Hauptfachausschuss des IDW entwickelten Kriterien zur handelsbilanziellen Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital

 

Rz. 29

Aus dem HGB oder sonstigen für die Bilanzierung relevanten Gesetzen ergeben sich keine zwingend zu beachtenden Kriterien, die die Abgrenzung von handelsbilanziellem Eigen- und Fremdkapital eindeutig regeln.[1] In seiner Stellungnahme RS HFA 7 n. F. vom 30.11.2017[2] hat sich allerdings der Hauptfachausschuss (HFA) des IDW mit der handelsrechtlichen Rechnungslegung bei Personenhandelsgesellschaften und hierbei auch mit der Einordnung des Eigenkapitals in der Bilanz befasst. Danach liegt handelsbilanziell der Charakter von Eigenkapital nur dann vor, wenn:[3]

  • künftige Verluste mit den bereitgestellten Mitteln bis zur vollen Höhe verrechnet werden können (Grundsatz der vollen Verlustteilnahme) sowie
  • im Fall der Insolvenz der Gesellschaft eine Insolvenzforderung nicht geltend gemacht werden kann bzw. bei einer Liquidation der Gesellschaft Ansprüche erst nach der Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger mit dem sonstigen Eigenkapital ausgeglichen werden (Grundsatz der Nachrangigkeit der Kapitalüberlassung).
 

Rz. 30

Diese Kapitalabgrenzung in Abhängigkeit von dem Grundsatz der vollen Verlustteilnahme und dem Grundsatz der Nachrangigkeit der Kapitalüberlassung knüpft an die Verlustausgleichs- und Haftungsfunktion des Eigenkapitals[4] an. Vor diesem Hintergrund dürften die in der Stellungnahme RS HFA 7 n. F. angesprochenen Vorgaben auch auf den bilanziellen Ausweis mezzaniner Finanzinstrumente als Eigenkapital Anwendung finden. Ob allerdings die beiden vorstehend angeführten Kriterien allein für die Bilanzierung mezzaniner Finanzinstrumente bei anderen Rechtsformen als bei Personenhandelsgesellschaften – insbesondere bei Kapitalgesellschaften – als ausreichend anzuerkennen sind, darf bezweifelt werden. Denn der HFA des IDW hat sich bereits im Jahr 1994 in seiner Stellungnahme HFA 1/1994 "Zur Behandlung von Genussrechten im Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften" im Hinblick auf Kapitalgesellschaften zur Einordnung eines bestimmten mezzaninen Finanzinstruments als bilanzielles Eigen- oder Fremdkapital geäußert.[5] Danach ist für die Klassifizierung einer mezzaninen Kapitalzufuhr als bilanzielles Eigenkapital bei einer Kapitalgesellschaft zwar ebenfalls "eine ausreichende Haftungsqualität des überlassenen Kapitals"[6] Voraussetzung – knüpft also auch diese Stellungnahme an die Verlustausgleichs- und Haftungsfunktion des Eigenkapitals an.[7] Allerdings lässt sich gemäß der Stellungnahme HFA 1/1994 eine schuldrechtlich vereinbarte Kapitalüberlassung lediglich dann als bilanzielles Eigenkapital bei einer Kapitalgesellschaft charakterisieren und innerhalb des Eigenkapitals in einem gesonderten Eigenkapitalposten und unter einer gesonderten Bezeichnung ausweisen, wenn nicht nur die vorangestellten zwei Kriterien, sondern darüber hinaus noch zwei weitere Kriterien erfüllt sind. Insgesamt müssen insofern die nachfolgenden vier Kriterien kumulativ erfüllt sein:[8]

  • Nachrangigkeit des überlassenen Kapitals im Insolvenz- oder Liquidationsfall gegenüber allen anderen Gläubigern,
  • Erfolgsabhängigkeit der Vergütung aufgrund der Kapitalüberlassung,
  • Teilnahme am laufenden Verlust bis zur vollen Höhe,
  • Nachhaltigkeit (Längerfristigkeit) der Kapitalüberlassung.
 

Rz. 31

Wird in der Sache keine Unterscheidung nach Rechtsformen vorgenommen, lassen sich die in der Stellungnahme HFA 1/1994 enthaltenen Kriterien für die Zuordnung von Genussrechtskapital als bilanzielles Eigenkapital als Leitlinien für die bilanzielle Einordnung anderer mezzaniner Finanzinstrumente – wie bspw. die stille Gesellschaft[9] – verwenden.[10] Aufgrund des Leitliniencharakters der Stellungnahme HFA 1/1994 wird in den nachfolgenden Ausführungen allgemein von mezzaninen Finanzinstrumenten und nicht von Genussrechten bzw. von Genussrechtskapital gesprochen, auch wenn sich diese Stellungnahme lediglich auf Genussrechte bezieht. Im Falle einer nur teilweisen Erfüllung der in der Stellungnahme HFA 1/1994 angeführten Abgrenzungskriterien erfolgt eine Qualifizierung des mezzaninen Finanzinstruments als Fremdkapital mit der Folge eines Ausweises unter den Verbindlichkeiten.[11]

 

Rz. 32

Während über einzelne der Kriterien des HFA des IDW zur bilanziellen Zuordnung von mezzaninen Finanzinstrumenten im Schrifttum überwiegend Einigkeit herrscht, wird hingegen kontrovers darüber diskutiert, wie einzelne Kriterien insbesondere vor dem Hintergrund der Funktionen des Eigenkapitals zu interpretieren sind.[12] Die vom HFA des IDW ausgewählten Kriterien sind insofern grundsätzlich zutreffend.[13] Neben den vom HFA des IDW entwickelten Kriterien lassen sich in der Literatur allerdings noch weitere Kriterien finden, die vor allem Indizien für die Unterscheidung zwischen eigenen und fremden Mitteln darstellen.[14]

[1] Vgl. Schweitzer/Volpert, BB 1994, S. 823; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1998, § 246 HGB Rz. 80; Thiele, Das Eigenkapital im handelsrechtlichen Jahresabschluss, 1998, S. 85 f.; Brüggemann/Lühn/Siegel, KoR 2004, S. 347; Küting/K...

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