6.1 Richtlinienvorschlag Kleinunternehmen

Ebenfalls am 18.1.2018 hatte die EU-Kommmission den im Follow-up zum MwSt-Aktionsplan angekündigten Richtlinienvorschlag zur Modernisierung der Sonderregelung für Kleinunternehmen (KMU) vorgelegt.[1] Die wichtigsten Ansätze des Vorschlags waren:

  • Öffnung der Steuerbefreiung (Nichterhebung der MwSt) für KMU für alle infrage kommenden Unternehmen in der EU, unabhängig davon, ob sie in dem Mitgliedstaat, in dem der Umsatz steuerbar ist und die Steuerbefreiung zur Verfügung steht, ansässig sind oder nicht;
  • Festlegung eines aktualisierten Werts für die Obergrenze der nationalen Schwellenwerte für die Steuerbefreiung;
  • Einführung eines Übergangszeitraums, in dem KMU, die vorübergehend den Schwellenwert für die Steuerbefreiung überschreiten, die Steuerbefreiung weiterhin in Anspruch nehmen können;
  • Einführung vereinfachter Mehrwertsteuerpflichten sowohl für begünstigte als auch nicht begünstigte KMU.

Der Vorschlag enthielt u. a. folgende Neuregelungen:

  • Einführung einer Definition für KMU (ein in der EU ansässiger Unternehmer, dessen Jahresumsatz in der EU 2 Mio. EUR nicht übersteigt);
  • Einführung der Möglichkeit, dass diese Unternehmen unabhängig von einem Rechnungsbetrag vereinfachte Rechnungen (mit dem Inhalt der Kleinbetragsrechnung = in Deutschland bis 250 EUR) erstellen können;
  • Festlegung einer EU-einheitlichen Höchstgrenze (85.000 EUR) bis zu der die Mitgliedstaaten die KMU-Regelung (§ 19 UStG = Verzicht auf die Steuererhebung) anwenden können. Die Mitgliedstaaten können die Lieferungen und die Dienstleistungen der in ihrem Hoheitsgebiet durch in diesem Hoheitsgebiet ansässige KMU, deren diesen Lieferungen bzw. Dienstleistungen zuzurechnender Jahresumsatz im Mitgliedstaat einen für die Anwendung der Steuerbefreiung von diesen Mitgliedstaaten festgelegten Schwellenwert nicht übersteigt, von der MwSt befreien. Die Mitgliedstaaten können anhand objektiver Kriterien unterschiedliche Schwellenwerte für verschiedene Wirtschaftsbereiche festlegen. Diese Schwellenwerte dürfen 85.000 EUR oder den Gegenwert in Landeswährung nicht übersteigen.
  • Ausdehnung der KMU-Regelung auf Unternehmer aus anderen EU-Mitgliedstaaten mit der Verpflichtung für den Mitgliedstaat des Sitzes zur Feststellung der Höhe aller Umsätze in der EU. Mitgliedstaaten, die eine Steuerbefreiung für KMU eingeführt haben, befreien auch die Leistungen in ihrem eigenen Hoheitsgebiet durch in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Unternehmen von der Steuer, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: der Jahresumsatz dieses Kleinunternehmens in der EU übersteigt 100.000 EUR nicht und der Wert der Leistungen in dem Mitgliedstaat, in dem das Unternehmen nicht ansässig ist, übersteigt nicht den Schwellenwert, der in diesem Mitgliedstaat für KMU-Regelung der dort ansässigen Unternehmen gilt.
  • Einführung weiterer Erleichterungen für KMU, insbesondere hinsichtlich Rechnungsstellung, Aufbewahrung, Aufzeichnung und Erklärung.

Der Bundesrat[2] hielt es für erstrebenswert, die Kleinunternehmergrenzen in der EU anzugleichen, um Wettbewerbsverzerrungen abzubauen. Er teilt die Ansicht der EU-Kommission, dass die Kosten für die Befolgung des Mehrwertsteuersystems für die Unternehmen möglichst gering gehalten werden sollten. Vereinfachungen für bestimmte Unternehmen dürften aber nicht zu Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der übrigen Unternehmen führen. Mit einer EU-weiten Umsatzschwelle von 100.000 EUR und einer nationalen Umsatzschwelle bis zu 85.000 EUR würde die Kleinunternehmerregelung deutlich wettbewerbseingreifender ausgestaltet. Dies könne dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität zuwiderlaufen. Auch dem Bürokratieabbau dienende Maßnahmen dürften zu keinen spürbaren Beeinträchtigungen bei der Betrugsbekämpfung führen. Anlass zur Besorgnis gebe in diesem Zusammenhang insbesondere die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis 2 Mio. EUR die Möglichkeit einzuräumen, nur noch USt-Jahreserklärungen abzugeben, sowie die möglichen Erleichterungen bei der Vergabe von USt-IdNrn. und bei den Rechnungs-, Aufbewahrungs- und Meldepflichten.

[1] Vgl. COM(2018) 21 final; http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=COM:2018:21:FIN&rid=1; vgl. auch http://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-185_de.htm.
[2] BR-Drucks. 18/18 (Beschluss).

6.2 Richtlinie (EU) 2020/285 zur Sonderregelung für Kleinunternehmen

Mit der vom Rat am 18.2.2020 angenommenen Richtlinie (EU) 2020/285[1], die zum 1.1.2025 in nationales Recht umzusetzen ist (ein nationaler Gesetzentwurf dazu liegt noch nicht vor), wurde die bisherige Sonderregelung für Kleinunternehmen grundlegend reformiert. Gleichzeitig wurde die sog. Zusammenarbeits-Verordnung (EU) Nr. 904/2010 entsprechend angepasst. Nach der bisherigen Sonderregelung für Kleinunternehmen können nur Unternehmen, die in dem Mitgliedstaat ansässig sind, in dem die MwSt geschuldet wird, von der mit der Regelung einhergehenden Steuerbefreiung (oder Nichterhebung der MwSt) profitieren. Künftig können Kleinunternehmen, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind als in dem Mitgliedstaat, in dem die Mw...

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