Unternehmer, die Fernverkäufe von aus Drittgebieten oder Drittländern eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 EUR durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle, z. B. eines Marktplatzes, einer Plattform, eines Portals o. ä., unterstützen, werden seit 1.7.2021 so behandelt, als ob sie diese Gegenstände selbst erhalten und geliefert hätten. Gleiches gilt für Unternehmer, die die innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen durch einen nicht in der Gemeinschaft ansässigen Unternehmer an einen Nichtunternehmer durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle, z. B. eines Marktplatzes, einer Plattform, eines Portals o. ä., unterstützen. Damit sind Internet-Plattformen betroffen, die als elektronische Plattformen den Verkauf von Waren "unterstützen" (z. B. ein Zusammenbringen, welches in einem Verkauf auf der Plattform endet, wenn der Plattform die Identität von Käufer und Verkäufer bekannt ist oder wenn (auch) die Bezahlung der Ware über die Plattform läuft). Nicht von dieser Regelung betroffen sind wohl z. B. Vergleichs-Websites, C2C-Websites für rein private Nutzung, Suchmaschinen, reine Zahlungsverkehrs-Dienstleister.

"Sachwert" ist der Preis der Waren selbst beim sog. Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union ohne Transport- und Versicherungskosten, sofern sie nicht im Preis enthalten und nicht gesondert auf der Rechnung ausgewiesen sind, sowie alle anderen Steuern und Abgaben, die von den Zollbehörden anhand der einschlägigen Dokumente ermittelt werden können. Eine "Sendung" (Postsendung) kann aus mehreren Gegenständen bestehen, die als solche zusammengenommen zur Einfuhr angemeldet werden.

 
Hinweis

Umsatzsteuerliche Einbindung der Plattform-Betreiber

Diese Art umsatzsteuerlicher Haftung für Internet-Plattformbetreiber ist steuersystematisch eine Leistungskommission nach dem Vorbild der Dienstleistungskommission gem. Art. 28 MwStSystRL. Sie gilt sowohl für Fernverkäufe von aus Drittgebieten oder Drittländern eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 EUR (unabhängig von der Ansässigkeit des liefernden Unternehmers und unabhängig von dem endgültigen Bestimmungsort der gelieferten Gegenstände in der EU, ob Einfuhrmitgliedstaat oder ein anderer Bestimmungsmitgliedstaat) als auch für innergemeinschaftliche Lieferungen (d. h. grenzüberschreitende Lieferungen innerhalb der EU, nicht Inlandslieferungen in einem Mitgliedstaat) durch Drittlandsunternehmer an Privatabnehmer. Der jeweilige Plattformbetreiber, der die genannten Umsätze über seine Plattform gestattet, wird so behandelt (Fiktion), als habe er die Lieferungen selbst empfangen und selbst ausgeführt (was zu entsprechenden umsatzsteuerlichen Erklärungs- und Aufzeichnungspflichten führt). Betroffen sind Betreiber von Internet-Plattformen bzw. Internet-Marktplätzen, über die solche Verkäufe abgewickelt werden. Die Fiktion in Art. 14a MwStSystRL bedeutet, dass umsatzsteuerrechtlich zwei Lieferungen (vom liefernden Unternehmer an den Palttformbetreiber und von diesem an den Endkunden) vorliegen. Die Betreiber von Internet-Plattformen werden also nicht lediglich als für die Steuer Haftende in Anspruch genommen, sondern so behandelt, als hätten sie die Lieferungen, die die liefernden Unternehmer über die Plattform ausführen, selbst bewirkt. Im nationalen Recht ist die Einbindung des Betreibers eines elektronischen Marktplatzes in die Umsatzbesteuerung in § 3 Abs. 6b UStG (die fiktive Lieferung durch den Plattformbetreiber ist die warenbewegte Lieferung), § 3 Abs. 3a UStG (Fiktion eines Reihengeschäfts bzw. Leistungskommission bei Fernverkäufen über eine Internetplattform bzw. elektronische Schnittstelle) und § 4 Nr. 4c UStG (Steuerbefreiung der (fiktiven) ruhenden Lieferung des Versandhändlers an den Plattformbetreiber) geregelt worden.[1]

 
Praxis-Beispiel

Verkäufe durch einen Drittlandsunternehmer über eine Internetplattform

Ein in den USA ansässiger Händler U verkauft über den von dem US-amerikanischen Unternehmer A betriebenen Internet-Marktplatz ein Paar Turnschuhe im Sachwert von 100 EUR an den deutschen Privatkunden K. Die Ware wurde zuvor nach Deutschland eingeführt. U wendet den OSS[2] an. Der Ort der Lieferung des U liegt in Deutschland.[3] Die Lieferung des U gilt als an den Plattformbetrieber A und von diesem als an K erbracht.

Der in China ansässige Unternehmer P verkauft über den von dem US-amerikanischen Unternehmer A betriebenen Internet-Marktplatz Kinderspielwaren zu einem Entgelt von 400 EUR an den belgischen Privatabnehmer B. Die Spielwaren wurden von P in Deutschland eingekauft und werden von einem in Deutschland befindlichen Lager an B nach Belgien versandt. Der Ort der Lieferung liegt in Belgien.[4] Die Lieferung des P gilt als an den Unternehmer A und von diesem als an den Privatkunden B erbracht.

 
Hinweis

Zeitpunkt der Steuerentstehung beim Plattformbetreiber

Die MwSt für den fiktiven Umsatz des Plattformbetreibers an den privaten Abnehmer entsteht im Zeitpunkt, ...

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