Der Lösungsansatz unter Einbezug des maschinellen Lernens erscheint einfach: Warum nicht die prädiktive Analyse zur Kostenplanung verwenden, also nicht analytisch vorgehen, sondern empirisch? Eine plausible Kostenschätzung kann über statistische Analysen erfolgen. Hierzu werden die Einflussgrößen den Kosten gegenübergestellt. Mit den ermittelten Korrelationen kann im Weiteren geplant werden. Das Volumen der Einflussfaktoren kann in einer Sachplanung oder einer Prognose präzisiert werden. In einem zweiten Schritt können dann über die entdeckten Einflüsse die Kosten abgeleitet werden. Zeitgleich lernt der Algorithmus aus der Vergangenheit, sodass die Prognosequalität steigt.

Für den statistischen Ansatz spricht, dass umfassende Daten bereitstehen, die geeignet sein können, um Kostenabhängigkeiten zu erklären.

  • ERP-Systeme sammeln zahlreiche Daten bspw. aus den Bereichen Produktion, Logistik und Finanzen.
  • Aus Workflow- und CRM-Systemen können weitere Treiber abgeleitet werden. Es werden nicht mehr nur Produktionsfunktionen berücksichtigt.
  • Indikatoren für externe Treiber wie Konjunktur und Wetter können insbesondere die Preisschätzung unterstützen.
  • Eine weitere Datenquelle zur Analyse könnte auch das Process Mining sein. Hierbei wird keine gezielte Prozessmodellierung vorgenommen, sondern es werden Prozesse über aufgezeichnete Abläufe analysiert. So können Variationen in den Bearbeitungszeiten ermittelt werden. Dies erzeugt Input für die Analyse in Form von potenziellen Einflussgrößen für die Kostenschätzung. Eine Prozessanalyse kann verdeutlichen, welche Einflussgrößen auf den Ressourcenverbrauch wirken. So könnte bspw. herauskommen, dass bestimmte Kundengruppen immer wieder aufwendige Sonderwünsche haben und daraufhin der Ressourcenbedarf besser bestimmt werden.

Eine stabile Geschäftsentwicklung ist bei der statistischen Analyse von Vorteil, da eine gewisse Datenhistorie benötigt wird. Stärkere Schwankungen der potenziellen Einflussgrößen sind vorteilhaft, um funktionelle Abhängigkeiten besser analysieren zu können.

Jede Disruption ist eine Herausforderung für die prädiktive Analyse. Neue Produkte ohne historische Daten lassen sich naturgemäß nur schlecht hinsichtlich Kosten und Einflussgrößen prognostizieren. Unbekannte Situationen, wie neue Verfahren, Reorganisation oder neue Produktionsmethoden, erzeugen erhebliche Probleme bei der Datenvorschau. In dieser Situation ist die analytische Kostenplanung die Methode der Wahl. Gelegentlich kann es helfen, ähnliche bereits bekannte Strukturen zu finden. Anlaufkosten bei der Automobilproduktion sind ein solches Beispiel. Es wird auch vorgeschlagen, Strukturveränderungen als Einflussgrößen einzubeziehen.[1] Allerdings dürfte hier die statistische Grundlage eher schwach sein.

[1] Vgl. Siemen, 2015, S. 135.

3.1 Methoden der Datenanalyse

Bezüglich der eingesetzten Methodik setzt man in der Regel auf multivariate Verfahren. Zur Ermittlung von Einflussfaktoren kann mit der multivariaten linearen Regression gestartet werden. Allerdings sind elaborierte Verfahren zur Erkennung komplexerer Zusammenhänge zweckmäßiger. Bei der Abbildung von Kostenfunktionen erfolgt mit ML keine Beschränkung auf multivariate und additiv lineare Funktionen. Um nichtlineare Funktionen zu erfassen, können maschinelle Lernverfahren wie neuronale Netze eingesetzt werden.

Die analytische Kostenplanung ist oft auf wenige Einflussgrößen beschränkt. Bei der auf maschinellem Lernen (ML) basierenden Kostenschätzung können hingegen theoretisch unbegrenzt potenzielle Treiber einbezogen werden. Es ist allerdings sinnvoll, sich auf die wesentlichen und statistisch signifikanten Einflussgrößen zu konzentrieren. Ziel ist es, ein besseres Verständnis der Wirkungsbeziehungen zu gewinnen, was eine Vorauswahl auf der Basis von Hypothesen oder statistischen Voranalysen voraussetzt.

Dieser statistische Ansatz ist grundsätzlich nicht neu. Gegen den Einsatz spricht nach Auffassung von Kilger jedoch Folgendes: Die Bereinigung fehlerhafter Daten sei sehr aufwendig. Weitere angeführte Aspekte sind hier die Berücksichtigung von Kostenremanenzen, organisatorischen Umstellungen, Rationalisierungsmaßnahmen und Verfahrensänderungen. Diese erschweren die Anwendung zusätzlich.[1]

Schließlich bestünde auch die Gefahr, strukturelle Ineffizienzen unreflektiert fortzuschreiben. Die analytische Kostenplanung hat in der Regel das Ziel, einen effizienten Weg für die gesamte Verarbeitung der Produktion herauszufinden. Es geht primär um die Vorgabe der wirtschaftlichen Ausführung. Bei der statistischen Schätzung ist dies nicht unbedingt gegeben, da Kosten und potenzielle Treiber aus der Vergangenheit herangezogen werden, um zukünftige Kosten zu prognostizieren. Dies bedeutet aber auch, dass mögliche Ineffizienzen aus der Vergangenheit extrapoliert werden. Schmalenbach hat das als "Schlendrian mit Schlendrian vergleichen" bezeichnet.

Das Argument ist nicht von der Hand zu weisen. Kosten haben aber bekanntermaßen vielfältige Aufgaben, unter anderem die Prognose, die Erklärung...

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