In allen übrigen Fällen sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer Gesamtschuldner der Lohnsteuer, d. h., dass das Finanzamt im Rahmen seines Ermessens zu entscheiden hat, welcher der beiden für die zu wenig einbehaltene Lohnsteuer in Anspruch zu nehmen ist. Die Ermessungsgründe sind spätestens im Klageverfahren vorzubringen. Eine Heilung von Ermessensfehlern im Revisionsverfahren ist nicht zulässig.[1]

Wird im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung ein Haftungsbescheid erlassen, ist im Rahmen des Auswahlermessens nicht nur zu prüfen, ob die Inanspruchnahme des Arbeitgebers nach § 42d EStG vorrangig vor dem Arbeitnehmer als Steuerschuldner ermessensgerecht ist, sondern ebenso, ob die Inanspruchnahme Dritter[2] in Betracht kommt. Das Auswahlermessen ist fehlerhaft, wenn das Finanzamt nur den Arbeitgeber für die Lohnsteuer ausländischer Arbeitnehmer ohne nähere Begründung in Haftung nimmt, obwohl auch eine Haftung des Geschäftsführers in Frage kommt.[3]

Im Rahmen der Ermessensprüfung haben Rechtsprechung und Verwaltung folgende Grundsätze festgelegt, in denen die vorrangige Inanspruchnahme des Arbeitgebers regelmäßig ausgeschlossen[4] und die Lohnsteuerforderung gegenüber dem Arbeitnehmer geltend zu machen ist:

  • Die Inanspruchnahme des Arbeitgebers ist dann ermessensfehlerhaft, wenn das Finanzamt die Lohnsteuer ebenso schnell und einfach beim Arbeitnehmer nachfordern kann, weil die Nachholung nur einen oder wenige Arbeitnehmer betrifft oder weil der Arbeitnehmer ohnehin zur Einkommensteuer zu veranlagen ist. Dies gilt insbesondere, wenn der Arbeitnehmer bereits aus dem Betrieb ausgeschieden ist.
  • Hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer deshalb zu niedrig einbehalten, weil er sich in entschuldbarer Weise über Fragen des Lohnsteuerrechts geirrt hat, ist der Erlass eines Haftungsbescheids ebenfalls rechtswidrig. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Finanzamt eine falsche oder unklare Auskunft erteilt hat oder wenn das Finanzamt von einer falschen Berechnungsmethode Kenntnis hatte, ohne dies zu beanstanden.[5]
  • Die Inanspruchnahme des Arbeitgebers ist auch dann ausgeschlossen, wenn er den Lohnsteuerabzug ohne Berücksichtigung von Gesetzesänderungen durchgeführt hat, soweit es ihm in der kurzen Zeit zwischen der Verkündung des Gesetzes und den folgenden Lohnabrechnungen nicht zumutbar war, die Gesetzesänderungen zu berücksichtigen.

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