Nach der Debitorenanalyse schließt sich die Ermittlung der klassischen Liquiditätskennziffern an. Aus ihnen ist zu entnehmen, in welcher Höhe Vermögenswerte eines Unternehmens (theoretisch) "flüssig" gemacht werden können, um eigene Verbindlichkeiten fristgerecht zu erfüllen.

3.1 Liquide Mittel 1. Grades und 2. Grades

Die 2 bekanntesten Möglichkeiten zur Errechnung der Liquidität sind:

 
1)   flüssige Mittel ( = liquide Mittel 1. Grades)
  ./. kurzfristige Verbindlichkeit
  = Über-/Unterdeckung 1. Grades

Zu den liquiden Mitteln 1. Grades gehören im Wesentlichen:

  • der Kassenbestand
  • die Guthabensalden bei Kreditinstituten,
  • ggf. andere sofort in Geld umwandelbare Bilanzpositionen.
 
2)   Umlaufvermögen
  ./. kurzfristige Verbindlichkeiten
  = Über-/Unterdeckung 2. Grades

Bei der Errechnung der Über-/Unterdeckung 1. Grades wird selten eine Überdeckung erreicht, obwohl dies erstrebenswert erscheint. Allerdings darf auch nicht übersehen werden, dass ein zu hoher Bestand an liquiden Mitteln zu Lasten der Rentabilität des Unternehmens geht. Die Unternehmen sollten bestrebt sein, ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Liquidität, Rentabilität und Sicherheit herzustellen (Magisches Dreieck).

Abb. 2: Magisches Dreieck

Beim Deckungsverhältnis 2. Grades findet man innerhalb der Kreditorganisationen folgende Beurteilungsmaßstäbe:

 
unter 100 % = unzureichend, besorgniserregend
100 bis 125 % = leicht geschwächt, noch vertretbar
125 bis 150 % = ausreichend, normal
150 bis 175 % = gut
175 bis 200 % = sehr gut
über 200 % = außerordentlich gesund finanziert

2019 betrug der Wert aller in der Auswertung der Deutschen Bundesbank einbezogenen Unternehmen 131,2 %, war entsprechend der obigen Aufstellung also "ausreichend, normal".

3.2 Netto-Geldvermögen

Zur weiteren Liquiditätsbeurteilung dient das Netto-Geldvermögen (der sog. Net Cash Found [NCF]);

 
  flüssige Mittel einschließlich börsengängiger Wertpapiere
+ kurzfristige Forderungen
./. kurzfristige Verbindlichkeiten
= N e t t o – G e l d v e r m ö g e n (NCF)

Auch hier gilt, dass die einmalige jährliche Ermittlung eine zu sehr statische Ausprägung hat. Durch fortlaufende Ermittlung der Kennzahlen werden Abläufe sichtbar und die Aussagekraft der Kennzahlen wird dynamisiert.

Gute Erkenntnisse, insbesondere im Zeitverlauf, können auch aus der Entwicklung der Nettoschulden (Fremdkapital ./. liquide Mittel) entnommen werden. Werden die Nettoschulden in Beziehung zum Cashflow gesetzt, so erhält man die Umschlagsdauer in Jahren.

Je niedriger dieser Wert ist (3,5 Jahre wird i. d. R. als guter Wert betrachtet), desto positiver ist die Liquiditätslage des Unternehmens einzuschätzen.

2021 betrug der Wert aller in der Auswertung der Deutschen Bundesbank einbezogenen Unternehmen 3,1 Jahre.

Nachfolgend ein Muster zur Ermittlung von Nettoschulden, Cashflow und Entschuldungskennziffer. In der freien Spalte können die unternehmensspezifischen Zahlen eingetragen oder das Schema in ein Tabellenkalkulationsprogramm übernommen werden.

Tab. 1: Ermittlung von Nettoschulden, Cashflow und Entschuldungskennziffer

3.3 Working Capital: Unterschiede zu Working Capital Ratio

3.3.1 Working Capital

Der Wert Working Capital

 
  Umlaufvermögen
./. kurzfristige Verbindlichkeiten

wird wie folgt beurteilt:[1]

Ein Unternehmen mit positivem Working Capital befindet sich finanziell im Gleichgewicht. Ein Unternehmen mit negativem Working Capital ist potenziell illiquide: Es hat kurzfristig verfügbare (fällige) Mittel langfristig angelegt.

 
Hinweis

Kurzfristige Verbindlichkeiten

Die kurzfristigen Verbindlichkeiten beinhalten

  • die Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von bis zu einem Jahr,
  • die Steuerrückstellungen und
  • die sonstigen Rückstellungen sowie
  • die passiven Rechnungsabgrenzungsposten.

Ergibt sich ein Überschuss, so ist dies der Teil des Umlaufvermögens, der schnell liquidierbar ist und damit für laufende Finanzdispositionen zur Verfügung steht. Die Kennzahl zeigt aber nur den augenblicklichen Stand an. Die Kennzahl ist daher fortlaufend, mindestens monatlich zu ermitteln.

[1] Diest, Kennzahlen zur Beurteilung der Liquidität, Der Betrieb 1974, S. 2166.

3.3.2 Working Capital Ratio

Die Kennzahl "Working Capital ratio (WCR)" gibt an, wie viel der kurzfristigen Verbindlichkeiten durch das Umlaufvermögen finanziert werden kann. Bei einem Wert über 100 % ist ein Teil des Umlaufvermögens langfristig finanziert. Dies ist positiv zu bewerten. Liegt der Wert unter 100 % ist die finanzielle Stabilität des Unternehmens eher negativ zu bewerten, da im "Ernstfall" Anlagevermögen verkauft werden müsste, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten finanzieren zu können.

 
  Umlaufvermögen  
WCR1 = ----------------- x 100
  kurzfristige Verbindlichkeiten  
Zielwert: > 100 %    
 
Praxis-Beispiel

Working Capital Ratio – WCR1

Das Umlaufvermögen eines Unternehmens beträgt 3.200.000 EUR, die kurzfristigen Verbindlichkeiten 2.300.000 EUR.

 
  3.200.000  
WCR1 = ----------------- x 139,1 %
  2.300.000  

Eine andere Definition der Kennzahl setzt das Working Capital ins Verhältnis zum kurzfristigen Umlaufvermögen. Damit wird ermittelt, welcher Teil des Umlaufvermögens langfristig finanziert ist.

 
  Working Capital  
WCR2 = ---------------...

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