Eine entgeltliche Lieferung liegt vor, wenn ein gegenseitiger Vertrag, der auf die Übereignung einer Sache gerichtet ist, erfüllt wird. Dabei kann es sich um die Erfüllung eines Kaufvertrags, eines Tauschvertrags, eines Werklieferungsvertrags oder eines anderweitig gestalteten Vertrags handeln. Ein derartiger Vertrag braucht nicht vollständig erfüllt zu werden, um von einer Lieferung ausgehen zu können. Eine Lieferung kommt stets zustande, wenn an einer Sache das Eigentum übertragen wird.

1.2.1 Verfügungsmacht

Der Empfänger der Lieferung muss die Verfügungsmacht erlangen. Dies geschieht durch die Zuwendung der vollen körperlichen und wirtschaftlichen Sachherrschaft. Er muss wirtschaftlich Wert, Substanz und Ertrag des Gegenstands erhalten.[1]

Die Verfügungsmacht hat der Eigentümer, denn er kann mit der Sache nach eigenem Belieben verfahren.[2] Aber auch der wirtschaftliche Eigentümer nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO hat die Verfügungsmacht über einen Gegenstand.

1.2.2 Verschaffung

Der liefernde Unternehmer muss den Abnehmer befähigen, dass er über den Liefergegenstand im eigenen Namen verfügen kann.[1] Nur die Erlangung der Verfügungsmacht reicht dazu allerdings nicht aus. Vielmehr muss die wirtschaftliche Stellung auf einer Zuwendung des Leistenden beruhen. Es muss ein Leistungswille vorhanden sein. Die Verfügungsmacht wird dem Abnehmer des Gegenstands dadurch verschafft, dass ihm Besitz und Eigentum übertragen wird. Haben die Beteiligten keinen Leistungsaustauschwillen, kann auch keine Lieferung vorliegen. So liegt z. B. bei einer Materialbeistellung eines Unternehmers zu einer an ihn auszuführenden Leistung keine Lieferung der beigestellten Sachen vor.[2]

1.2.3 Fälle der Eigentumsübertragung

Die Eigentumsübertragung bei beweglichen Sachen geschieht meist durch Einigung und Übergabe nach § 929 Satz 1 BGB.

 
Praxis-Beispiel

Fahrzeugkauf

Das Eigentum an einem bestellten Fahrzeug wird dem Käufer durch die Übergabe des Fahrzeugs, der Schlüssel und der Papiere übertragen.

Ist dagegen der Erwerber schon im Besitz des Gegenstands, reicht es aus, wenn sich Lieferer und Abnehmer entsprechend einigen.[1]

 
Praxis-Beispiel

Erwerb eines gemieteten Gegenstands

Ein Kunde hat einen Gegenstand gemietet. Nach einiger Zeit will er den Gegenstand erwerben.

Die Lieferung erfolgt durch die Einigung der Beteiligten über den Eigentumsübergang.

Einigen sich Erwerber und Verkäufer über den Eigentumsübergang, genügt es, wenn dem Erwerber durch Einräumung eines Besitzmittlungsverhältnisses der mittelbare Besitz verschafft wird.[2]

 
Praxis-Beispiel

Spätere Ingebrauchnahme

Ein Kunde erwirbt einen Gegenstand, den er allerdings bis zur erstmaligen Ingebrauchnahme noch beim Verkäufer belässt, z. B. dort unterstellt.

Mit der Einigung der Beteiligten über den Eigentumsübergang und dem anschließenden Abschluss, z. B. eines Verwahrungsvertrags, ist das Eigentum an der Sache auf den Käufer übergegangen.

Die Besitzübergabe kann auch durch die Übergabe eines sog. Traditionspapiers ersetzt werden. Solche Papiere sind der Lagerschein, der Ladeschein im Binnenschifffahrtsverkehr und das Konnossement der Seeschifffahrt.

 
Wichtig

Übergang von Nutzen und Lasten bei Grundstücken

Bei der Übereignung von Grundstücken gelten Besonderheiten: Das (zivilrechtliche) Eigentum wird durch Einigung (Auflassung) und die Eintragung ins Grundbuch übertragen.[3] Auf den Zeitpunkt der Eintragung des Erwerbs im Grundbuch haben die Beteiligten meist keinerlei Einfluss.

Umsatzsteuerrechtlich wird für die Lieferung auf den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums abgestellt; dies ist regelmäßig der Übergang von Nutzen und Lasten auf den Erwerber. Denn zu diesem Zeitpunkt wird dem Erwerber schon die tatsächliche Verfügungsmacht über das Grundstück verschafft.

 
Wichtig

Lieferung auf Probe

Bei einer Lieferung auf Probe (der Gegenstand wird dem Kunden zugesandt, der Kunde entscheidet nach Erhalt des Gegenstands, ob er ihn behalten möchte), liegt eine Lieferung erst dann vor, wenn der Kunde den Gegenstand abnimmt.[4] Damit kann sich dann auch erst der Ort der Lieferung zu diesem Zeitpunkt ergeben.[5]

Ertragsteuerrechtliche Überlegungen (z. B. welcher der Vertragsparteien bei Leasinggeschäften der Leasinggegenstand bilanziell zuzurechnen ist), spielen für die Abgrenzung, ob umsatzsteuerrechtlich eine Lieferung oder eine sonstige Leistung vorliegt, keine Rolle.[6]

[3] § 873 i. V. m. §§ 925 ff. BGB.
[5] Ort der Lieferung dann nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG.
[6] Vgl. zum Leasing BMF, Schreiben v. 18.3.2020, BStBl 2020 I S. 286 sowie Abschn. 3.5 Abs. 5 UStAE. Ausführlich zur Frage der Zurechnung von Leasinggegenständen s. Leasingunternehmen.

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