Leitsatz

Langjährige Verluste eines selbstständig tätigen Rechtsanwalts, dessen Einnahmen ohne plausible Gründe auf niedrigstem Niveau stagnieren und der seinen Lebensunterhalt aus erheblichen anderweitigen Einkünften bestreitet, sprechen regelmäßig dafür, dass er seine Tätigkeit nur aus persönlichen Gründen fortführt (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 22.4.1998, XI R 10/97, BStBl II 1998, 663).

 

Normenkette

§ 12 EStG , § 18 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, die in den Streitjahren 1990 und 1991 positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen erzielte, erwirtschaftete aus ihrer Tätigkeit als selbstständige Rechtsanwältin Verluste i.H.v. 15.485 DM bzw. 9.450 DM bei Einnahmen i.H.v. 2.875 DM bzw. 3.832 DM. In den Jahren 1987 bis 1997 lagen die Einnahmen aus der Anwaltstätigkeit stets zwischen 2.568 DM und 5.981 DM, mit Ausnahme des Jahrs 1992, in dem die Klägerin aufgrund einer Krankheitsvertretung 13.896 DM einnahm. Das FA versagte den Abzug der Verluste wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht. Das FG wies die Klage ab (EFG 2002, 983).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Auffassung des FG und des FA und wies die Revision als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Auch im Rahmen der Einkunftsart "selbstständige Arbeit" muss nach ständiger Rechtsprechung des BFH die Tätigkeit mit der Absicht betrieben werden, über eine größere Anzahl von Jahren gesehen positive Einkünfte zu erzielen (Gewinnerzielungsabsicht). Einer ausdrücklichen Verweisung in § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG auf § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG bedurfte es nicht; denn insoweit gilt die dort enthaltene Definition des Gewerbebetriebs auch für die anderen Gewinn-Einkunftsarten (so bereits BFH, Urteil vom 26.2.2004, IV R 43/02, BFH-PR 2004, 260 für den Arztberuf).

Übt ein selbstständiger Rechtsanwalt seine Anwaltstätigkeit ohne Gewinnerzielungsabsicht aus, führt der Betrieb der Anwaltskanzlei nicht zu Einkünften aus selbstständiger Arbeit. Die Tätigkeit stellt dann eine sog. Liebhaberei dar. Verluste aus der Liebhaberei-Tätigkeit können nicht mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten verrechnet werden.

2. Bei einer selbstständigen Rechtsanwaltstätigkeit, die zu den Katalogberufen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zählt, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Tätigkeit in der Absicht betrieben wird, Gewinne zu erzielen. Ein Untern?hmen dieser Art ist nach Auffassung des BFH regelmäßig nicht dazu bestimmt, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen.

Der Anscheinsbeweis entfällt allerdings bereits dann, wenn die ernsthafte Möglichkeit erkennbar ist, dass im konkreten Einzelfall nicht das Streben nach einem Totalgewinn, sondern persönliche Motive für die Ausübung der Tätigkeit bestimmend waren. Dann trifft den Steuerpflichtigen die objektive Beweislast dafür, dass er seine Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt hat.

3. Im Streitfall hat die Klägerin über einen Zeitraum von elf Jahren durchgehend Verluste erwirtschaftet. Wie das FG festgestellt hat, war es nicht plausibel, weshalb sich die stets geringen Einnahmen nicht hätten steigern lassen. Das rechtfertigt den vom FG gezogenen Schluss, dass die Klägerin, die ihren Lebensunterhalt aus erheblichen anderweitigen Einkünften bestreiten konnte, die Anwaltskanzlei aus persönlichen Gründen und Neigungen betrieben hat, nämlich "wegen des mit dem Beruf der Rechtsanwältin verbundenen Sozialprestiges, um in ihrem Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und um eine sinnvolle Beschäftigung zu haben". Besondere Gründe, die für ihre Gewinnerzielungsabsicht sprechen, hatte die Klägerin nicht anführen können.

4. Der BFH betont ausdrücklich, dass der Besprechungsfall nicht mit dem Fall vergleichbar ist, der dem Urteil vom 22.4.1998, XI R 10/97 (BStBl II 1998, 663) zugrunde lag. Dort handelte es sich – anders als hier – nicht um eine sog. Wohnzimmerkanzlei, sondern um eine Anwaltskanzlei in repräsentativ ausgestatteten Räumen, die sechsstellige Honorareinnahmen erzielte und ständig mindestens zwei Arbeitnehmer beschäftigte. Das FG hatte in diesem Fall festgestellt, dass der Anwalt seine Tätigkeit "mit vollem persönlichen Einsatz" bei subjektiv schlechter Betriebsführung ausgeübt hatte. Gründe für die Annahme, dass er aus persönlichen Gründen oder Motiven als Rechtsanwalt tätig war, waren dort weder festgestellt noch ersichtlich.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.12.2004, XI R 6/02

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