S ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG. In 2022 plant er, das von ihm zu errichtende Gebäude zu 50 % für seine unternehmerischen Zwecke und ansonsten für private Zwecke zu verwenden. Er hat damit ein Zuordnungswahlrecht; er kann das Gebäude ganz, gar nicht oder teilweise seinem Unternehmen zuordnen:

  • Ordnet er das Gebäude gar nicht seinem Unternehmen zu, ergibt sich für ihn aus den bezogenen Leistungen kein Vorsteuerabzugsanspruch.[1] Diese Variante wird keine wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit sein.
  • Ordnet er das Gebäude seinem Unternehmen nur anteilig zu[2], ist er nur insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt, wie er das Gebäude dem Unternehmen zugeordnet hat. Ergibt sich in der Folgezeit (während des Vorsteuerberichtigungszeitraums von 10 Jahren) eine Verwendung für unternehmerische Zwecke in einem höheren Umfang, ist eine Vorsteuerberichtigung grundsätzlich ausgeschlossen.[3] In diesem Fall könnte S nur 50 % der ihm 2022 berechneten Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuer geltend machen (38.000 EUR).
  • Ordnet er das Gebäude dem Unternehmen in vollem Umfang zu, ist er zwar nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG zum vollen Vorsteuerabzug für die empfangenen Leistungen berechtigt, da das Gebäude aber auch zum Teil für private Zwecke verwendet werden soll, ist der Vorsteuerabzug nur insoweit zulässig, wie das Gebäude für unternehmerische Zwecke verwendet werden soll.[4] Auch in diesem Fall könnte S nur 50 % der ihm 2022 berechneten Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuer geltend machen (38.000 EUR).
 
Wichtig

Mindestnutzung beachten

Mindestens muss das Gebäude aber zu 10 % für seine unternehmerischen (vorsteuerabzugsberechtigenden) Zwecke verwendet werden, damit der Unternehmer ein Zuordnungswahlrecht hat. Beträgt die unternehmerische Nutzung weniger als 10 %, kann er das Gebäude weder ganz noch teilweise seinem Unternehmen zuordnen (Zuordnungsverbot).

Unabhängig davon, ob S das Gebäude in 2022 vollständig oder nur teilweise dem Unternehmen zugeordnet hat, kann er nur 50 % der ihm berechneten Vorsteuerbeträge geltend machen (38.000 EUR), die Finanzverwaltung kann deshalb aus der Höhe der geltend gemachten Vorsteuer keine Rückschlüsse auf die Zuordnungsentscheidung ziehen. Damit gilt das Gebäude nur i. H. des geltend gemachten Vorsteuerabzugs als dem Unternehmen zugeordnet.[5] Der nicht dem Unternehmen zugeordnete Teil (die für die private Verwendung geplanten 50 %) gilt als ein separater Gegenstand.[6]

 
Praxis-Tipp

Zuordnungswahlrecht ausüben

S hätte aber bis zur gesetzlichen Abgabefrist der Jahressteuererklärung 2022[7] die Zuordnungsentscheidung durch einen objektiven Nachweis dokumentieren müssen, wenn er das Gebäude in vollem Umfang seinem Unternehmen zuordnen wollte. Wann er dann diese dokumentierte Zuordnungsentscheidung dem Finanzamt mitgeteilt hätte, ist nicht mehr von steuerrechtlicher Relevanz. Allerdings ist es bei der geplanten teilweisen Nutzung für die privaten Wohnzwecke fraglich, welche "objektiven Nachweise" in einem solchen Fall vorliegen sollten. Bauantragsunterlagen oder andere bautechnische Unterlagen werden dazu sicher keine Aussage treffen. Deshalb bleibt es für die Praxis dabei, dass die Zuordnungsentscheidung auch zeitnah gegenüber der Finanzverwaltung dokumentiert werden sollte, um spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Die vollständige Zuordnung zum Unternehmen hätte für ihn zwar erst einmal keine positiven Folgen gehabt, wenn er das Gebäude wie geplant zu 50 % für seine unternehmerischen Zwecke verwendet, er hätte sich aber die Möglichkeit offen gehalten, bei einem erhöhten Umfang der unternehmerischen Nutzung in den nächsten 10 Jahren eine Vorsteuerberichtigung zu seinen Gunsten vorzunehmen. Da die vollständige Zuordnung des Gebäudes zum Unternehmen für den Unternehmer nicht zu nachteiligen Folgen führen kann (auch nicht bei einer späteren Entnahme aus dem Unternehmen), ist die vollständige Zuordnung regelmäßig anzuraten.

Im Juni 2023 ergibt sich eine Änderung der geplanten Verwendung des Gebäudes. Die Vermietung des Gebäudes an R stellt ebenfalls eine unternehmerische Verwendung dar – S erweitert sein Unternehmen um die Vermietungstätigkeit.

 
Praxis-Tipp

Keine Abhängigkeit von der ertragsteuerrechtlichen Behandlung

Die Erweiterung der unternehmerischen Betätigung ist unabhängig davon, ob die Vermietungsumsätze gegenüber R den Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit zugerechnet werden (soweit ertragsteuerrechtlich gewillkürtes Betriebsvermögen angenommen wird) oder als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (soweit ertragsteuerrechtliches Privatvermögen angenommen wird) angesehen werden. Ein Unternehmer hat umsatzsteuerrechtlich immer nur ein Unternehmen.[8]

Zumindest für die ab Juni 2023 bezogenen Leistungen besteht für S kein Zuordnungswahlrecht, da er die Leistungen in vollem Umfang als für sein Unternehmen bezogen behandeln muss (Zuordnungsgebot), da ab diesem Zeitpunkt eine ausschließliche Nutzung für unternehmerische Zwecke vorliegt. Die bis Ende Mai 2023 in 2023 bezogenen Leistungen kann er dem Un...

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