Leitsatz

1. Eine Leistung gegen Entgelt liegt regelmäßig auch dann vor, wenn ein Geschäftsführer gegen Aufwendungsersatz tätig wird.

2. Keine Leistung gegen Entgelt liegt regelmäßig vor, soweit ein Gesellschafter aus Gründen, die im Gesellschaftsverhältnis begründet sind, die Verluste seiner Gesellschaft übernimmt, um ihr die weitere Tätigkeit zu ermöglichen.

 

Normenkette

§ 1 Abs.1 UStG , § 10 UStG , § 670 BGB

 

Sachverhalt

Die Klägerin war eine zum Zweck der Wirtschaftsentwicklung im Gebiet der Stadt L gegründete GmbH, an der u.a. die Stadt L beteiligt war. Für einige der satzungsgemäßen Aufgaben der Klägerin, die konkrete Interessen der Stadt L betrafen, war eine bestimmte Vergütung, der Ersatz der Kosten oder die Weiterleitung projektbezogener Zuschüsse vereinbart. Da aber nicht alle satzungsgemäßen Aktivitäten der GmbH mit der Regelung vergütet wurden, verpflichtete sich (nur) die Stadt zur Übernahme des Verlustausgleichs im Rahmen des verabschiedeten Budgets.

Die Klägerin meinte, die Verlustübernahme sei kein Entgelt für steuerpflichtige Umsätze. Das FA war anderer Meinung.

Die Klage hatte Erfolg. Das FG meinte, der Aufwendungsersatz, den der Geschäftsbesorger gem. §§ 669, 670 BGB erhalte, sei kein Entgelt i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 10 UStG.

 

Entscheidung

Der BFH verwies die Sache an das FG zurück und gab ihm für die weitere Sachverhaltsaufklärung die in den Leitsätzen wiedergegebenen Kriterien vor.

 

Hinweis

Die Besteuerung einer Lieferung oder sonstigen Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG setzt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert voraus; der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein; er muss einen Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch im Sinn des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt.

Zunehmend werden öffentliche Aufgaben an privatrechtliche Gesellschaften mit Beteiligung der öffentlichen Hand "ausgegliedert". Hier besteht Beratungsbedarf. Übernimmt eine Person des privaten Rechts Aufgaben einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und erhält sie im Zusammenhang damit Geldzahlungen, kann je nach den Umständen des Einzelfalls ein Leistungsaustausch zu bejahen oder zu verneinen sein. Zahlungen sind:

  • Entgelt, wenn der Zahlungsempfänger im Auftrag des Geldgebers für diesen eine Aufgabe übernimmt und die Zahlung damit zusammenhängt.
  • Kein Entgelt, wenn der Zuschuss lediglich der Förderung des Zahlungsempfängers im allgemeinen Interesse dienen soll und nicht der Gegenwert für eine steuerbare Leistung des Zahlungsempfängers an den Geldgeber ist.

Der Besprechungsfall ist ein typisches Beispiel für die Abgrenzungsprobleme bei Zahlungen der öffentlichen Hand an privatrechtliche Gesellschaften, die zur Erfüllung von öffentlich-rechtlichen Aufgaben – Förderung und Entwicklung von Wirtschaft, Tourismus u.a. mehr) – eingeschaltet werden und an denen die Gemeinden beteiligt sind. Beachten Sie, dass die konkreten Vereinbarungen für die Beurteilung maßgebend sind. Entscheidend ist, ob die Tätigkeit (der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft) lediglich dem allgemeinen Interesse der Wirtschaftsentwicklung dient oder individualisierbare Leistungen an einzelne Gesellschafter vereinbart sind.

Bedient sich eine Gemeinde zur Erfüllung konkreter Aufgaben eines Erfüllungsgehilfen, erhält sie individualisierbare Leistungen des Erfüllungsgehilfen; sie erhält die Leistungen als Verbraucherin im Sinn des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts, soweit sie hoheitliche Aufgaben wahrnimmt, und als Unternehmerin, soweit sie unternehmerische Aufgaben wahrnimmt. Dagegen fehlt es regelmäßig am notwendigen Zusammenhang zwischen erbrachter Leistung und erhaltenem Gegenwert, soweit die Gesellschafter aus Gründen, die im Gesellschaftsverhältnis begründet sind, die Verluste ihrer Gesellschaft übernehmen, um ihr die weitere Tätigkeit zu ermöglichen. Für die Beurteilung ist nicht entscheidend, ob eine Tätigkeit (auch) im allgemeinen Interesse liegt (eine steuerbare Lieferung liegt auch vor, wenn die Gemeinde das gelieferte Grundstück zum Bau einer Straße benötigt).

Auch wenn ein Geschäftsführer gegen Aufwendungsersatz tätig wird, liegt eine Leistung gegen Entgelt vor. Es spielt dabei keine Rolle, ob Aufwendungsersatz ausdrücklich vereinbart oder nur nach § 670 BGB geschuldet wird.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 11.4.2002, V R 65/00

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