Die Frage nach Begriff und Inhalt der Lebenszyklen ist am besten in Bezug auf die jeweiligen Unternehmensprozesse zu beantworten. Betrachten wir zunächst die Unternehmensprozesse, wie sie in der Praxis der Geschäftsprozessoptimierung für Industrieunternehmen in den letzten Jahren herausgearbeitet wurden,[1] nämlich jene der

  1. Markterschließung und Kundenpflege
  2. Entwicklung von Produkten und Verfahren
  3. Beschaffung von Kapital
  4. Beschaffung von Personal
  5. Beschaffung von Material und Zulieferleistungen
  6. Beschaffung von Investitionen
  7. Instandhaltung der Anlagen
  8. Abwicklung von Lageraufträgen
  9. Abwicklung von Kundenaufträgen,

so sind vor allem die ersten sechs Prozesse für Lebenszyklusbetrachtungen prädestiniert. Dabei konzentrieren sich die vorhandenen Veröffentlichungen auf den Prozess der Entwicklung von Produkten und Verfahren und damit auf den Produktlebenszyklus. In letzter Zeit wird aber den Markt- und Kundenbeziehungen im Rahmen des Customer Relations Managements und den Beschaffungsprozessen im Rahmen des Supply Chain Managements eine immer höhere Beachtung zuteil. Der Lebenszyklus der Produktionsanlagen war immer schon im Fokus der Investitionsrechnung und damit der erste Gegenstand betriebswirtschaftlicher Betrachtungen, der nicht dem strengen Jahresrhythmus unterworfen war.

Zu den Merkmalen eines Prozesses gehört ein klar definierter Beginn und ein klar definiertes Ende und Ergebnis. Die ausgewählten Unternehmensprozesse lassen sich kurz wie folgt beschreiben:

Markterschließung und Kundenpflege

Eine Kundenbeziehung beginnt mit dem ersten Kontakt und endet mit dem Abbruch der Geschäftsbeziehung zum einzelnen Kunden. Der Wert eines zufriedenen Kundenstammes gehört zu den wichtigsten Intangible Assets, den nicht oder nur schwer in Zahlen zu bewertenden Vermögensbestandteilen eines Unternehmens.

Entwicklung von Produkten und Verfahren

Die Entwicklung eines neuen Produktes beginnt mit den ersten Entwürfen und der Marktforschung. Der Prozess führt über die ausführlich beschriebenen Phasen[2] der Einführung, des Wachstums, der Reife und des Rückgangs bis zum Auslaufen der Produktion. Darüber hinaus gewinnen heute die Nachlauf- und Entsorgungsphasen zunehmend an Bedeutung.

Beschaffung von Kapital

Diese Prozesse sind – von den jeweiligen Fristen der einzelnen Beschaffungen abhängig – mit sehr unterschiedlichen Lebenszyklen ausgestattet: die Kapitalbeschaffung durch einen Börsengang als sehr langfristiges Vorhaben einerseits steht der Absicherung der Liquidität durch intensive Ausnutzung der Lieferantenziele im Rahmen eines kurzfristigen operativen Finanzmanagements andererseits gegenüber. Die Zyklen können vom Tagesgeschäft bis zum Gesamtbestand des Unternehmens reichen.

Beschaffung von Personal

Mit der Suche und Einstellung von Mitarbeitern beginnt dieser Prozess, der mit dem Ausscheiden des Mitarbeiters aus dem Unternehmen endet. Alle Maßnahmen der Personalentwicklung und Personalführung drücken sich im ebenfalls zu den Intangible Assets eines Unternehmens gehörenden Wert eines qualifizierten und motivierten Teams aus.

Beschaffung von Material und Zulieferleistungen

Mit der Auswahl der Lieferanten beginnt dieser Prozess, der heute im Zeichen unternehmensübergreifender Prozesse an strategischer Bedeutung weiter zugenommen hat. Fragen der Fertigungstiefe und des angestrebten Leistungsspektrums gewähren hier ein weites Feld zur Gestaltung und Einbettung des Unternehmens in die übergeordnete Supply Chain.

Beschaffung von Investitionen

Die Beurteilung von Investitionen des Anlagevermögens gehört traditionell zu den Aufgaben der Investitionsrechnung, die ein Verbindungsglied zur periodischen Kostenrechnung darstellt. Während früher die technische Lebensdauer der Anlagegüter ein beherrschender Faktor war, gilt heute die verkürzte Produktlebensdauer, verbunden mit der spezifischen Auslegung der Produktionsanlagen für bestimmte Produkte – vgl. z.B. die Autoindustrie – als bestimmend für die Dauer ihrer möglichen Nutzung.

 
Praxis-Tipp

Einbeziehung sämtlicher Lebenszyklen

Nicht nur der Lebenszyklus der Produkte, wie er in der Vergangenheit in den Vordergrund gestellt wurde, sondern auch die Lebenszyklen der Kunden-, Lieferanten- und Mitarbeiterbeziehungen müssen im Management die nötige Beachtung finden.

Dennoch werden auch wir uns in den folgenden Ausführungen auf den in Literatur und Praxis ausführlicher behandelten Produktlebenszyklus konzentrieren.

[1] Vgl. Klein, A.; Vikas, K.: Überblick über das prozessorientierte Controlling, in: Kostenrechnungspraxis 1999, S. 83 ff.
[2] Vgl. Porter, M. E.: Wettbewerbsstrategie, 10. Aufl., 1999, S. 215 ff.

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