Der EuGH hat mit Urteil v. 6.2.2003[1] entschieden, dass in einem Fall, in dem ein Leasingnehmer ein geleastes Fahrzeug im Namen und für Rechnung des Leasinggebers bei Tankstellen betankt, keine Kraftstofflieferung des Leasinggebers an den Leasingnehmer vorliegt. Der BFH hat mit Urteil v. 10.4.2003[2] entsprechend entschieden. Vgl. zu der Problematik auch das EuGH-Urteil vom 15.2.2019[3], in dem der EuGH an seinen Grundsätzen zu den Leistungsbeziehungen in derartigen Fällen festgehalten hat. Das die Tankkarten für seine Tochtergesellschaften für deren Bezug von Kraftstoffen herausgebende Unternehmen erhält selbst nicht die Kraftstofflieferung. Die Leistung des Tankkartenunternehmens stellt vielmehr eine steuerfreie Kreditgewährung dar, die in der Finanzierung des Kraftstoffbezugs liegt. Zur Rechnungstellung, unrichtigem Steuerausweis bzw. unberechtigtem Steuerausweis i.Z.m der Bereitstellung von Tankkarten vgl. auch das EuGH-Urteil v. 18.3.2021.[4]

Abweichende Verwaltungsauffassung

Die Verwaltung geht bisher noch von einer Lieferbeziehung zwischen Mineralölgesellschaft und Leasinggeber einerseits und einer Treibstofflieferung vom Leasinggeber an den Leasingnehmer andererseits (also einem Reihengeschäft) aus, wenn bestimmte Voraussetzungen insgesamt erfüllt sind.[5] Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist eine Treibstofflieferung von der Mineralölgesellschaft an den Leasingnehmer anzunehmen und eine sonstige Finanzierungsleistung des Leasinggebers an den Leasingnehmer. Das erneute EuGH-Urteil vom 15.5.2019[6] stimmt aber skeptisch, ob die bisher allgemein verbreitete umsatzsteuerlichen Würdigung dieser Geschäfte als Reihengeschäfte zutreffend ist und nicht vielmehr die Umsätze zwischen Tankkarten-Vertragspartner und Tankkarten-Nutzer regelmäßig als umsatzsteuerfreie Kreditgewährung nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG zu würdigen sind. Da dem EuGH-Urteil grundsätzliche Überlegungen (zum Vorliegen einer Lieferung, Verschaffung der Verfügungsmacht, Bestimmung des Tankkarten-Vertragspartners zum Zeitpunkt der Lieferung, Menge, Art, Umfang, Ort, Qualität, Risikoverteilung bei Verlust/Untergang der Ware, Zahlungsstörung usw.) zu entnehmen sind, wann im Einzelfall von einem Reihengeschäft auszugehen ist bzw. wann nicht, ist eine Änderung der geltenden Verwaltungsauffassung in absehbarer Zukunft denkbar.

Haltung des MwSt-Ausschuss

Inzwischen hat der MwSt-Ausschuss seine Haltung zu der Problematik festgelegt.[7] Danach stellt der MwSt-Ausschuss im Einklang mit dem EuGH, Urteil v. 15.5.2019[8] fast einstimmig fest, dass bei der Lieferung von Kraftstoff an einen Tankkarteninhaber im Rahmen eines Tankkartensystems, das unter Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL (= als Lieferung gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen) fällt, die Lieferung des Tankkartenausstellers nicht als Lieferung von Gegenständen an den Tankkarteninhaber, sondern als Erbringung einer Finanzdienstleistung gilt.

Bei der Lieferung von Kraftstoff im Rahmen eines Tankkartensystems, das unter Art. 14 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL (= als Lieferung gilt die Übertragung eines Gegenstands aufgrund eines Vertrages über eine Einkaufs- oder Verkaufskommission) fällt, ist der MwSt-Ausschuss fast einstimmig der Auffassung, dass eine Lieferung von Kraftstoff (durch das Mineralölunternehmen) an den Tankkartenaussteller vorliegt, ohne dass die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Kraftstoff zu verfügen, auf diesen Tankkartenaussteller übertragen werden muss.

Damit ein Tankkartensystem unter Art. 14 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL (Kommissionsgeschäft) fällt, müssen nach fast einstimmiger Auffassung des MwSt-Ausschusses alle folgenden Bedingungen erfüllt sein:

  • Das Eigentum an dem Kraftstoff wird i. S. der formalen Rechtsstellung auf den Tankkartenaussteller (Vermittler) übertragen.
  • Die Lieferungen an und durch den Tankkartenaussteller (Vermittler) sind ähnlich.
  • Zwischen dem Vermittler und dem Kommittenten (Mineralölunternehmen) besteht eine Vereinbarung.

Damit jede dieser Bedingungen erfüllt ist, muss die Tankkartenregelung nach fast einstimmiger Auffassung des MwSt-Ausschusses mindestens die folgenden Kriterien erfüllen:

Bedingung 1: Übertragung des Eigentums an dem Kraftstoff i. S. der formalen Rechtsstellung

  1. Die Parteien tragen das Risiko des Zahlungsausfalls auf ihrer jeweiligen Lieferstufe, d. h. die Mineralölgesellschaft auf Ebene des Tankkartenausstellers und der Tankkartenaussteller auf Ebene des Tankkarteninhabers.
  2. Das vertragliche Schadensrisiko des Tankkarteninhabers trägt der Tankkartenaussteller, sodass dieser im Falle von Sachmängeln des Kraftstoffs, die zu einem Schaden des Tankkarteninhabers führen (z. B. in Form eines durch den gelieferten Kraftstoff verursachten Motorschadens), alle vertraglichen, auch produktbezogenen Ansprüche gegenüber dem Tankkartenaussteller und nicht gegenüber dem Mineralölunternehmen geltend machen muss.
  3. Die Parteien legen den Preis für jeden Teil der Kette auf Ebene der Mineralölgesellschaft bz...

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