Nach der EuGH-Rechtsprechung[1] stellt der Lieferbegriff nicht auf die Eigentumsübertragung in den Formen ab, die im anwendbaren nationalen Recht vorgesehenen sind. Der Lieferbegriff umfasst vielmehr jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer. Unter diesen Umständen kann ein Leasingvertrag einem Kaufvertrag gleichgestellt werden. Wenn der Leasingvertrag über ein Kraftfahrzeug vorsieht, dass das Eigentum an dem Fahrzeug am Ende der Vertragslaufzeit auf den Leasingnehmer übertragen wird, ist der Umsatz mit dem Erwerb eines Investitionsguts gleichzusetzen. Das Gleiche gilt, wenn im Leasingvertrag vereinbart wird, dass der Leasingnehmer über wesentliche Elemente des Eigentums an dem Fahrzeug verfügt, insbesondere, dass die mit dem rechtlichen Eigentum an dem Fahrzeug verbundenen Chancen und Risiken zum überwiegenden Teil auf ihn übertragen werden und die abgezinste Summe der Leasingraten praktisch dem Verkehrswert des Gegenstands entspricht.

Eine Leasingleistung und die Bereitstellung einer Versicherung für das Leasingobjekt sind nach der EuGH-Rechtsprechung[2] grundsätzlich nicht als derart eng miteinander verbunden anzusehen, dass sie einen einheitlichen Umsatz bilden. Auch wenn eine Versicherungsleistung, die der Leasingnehmer über den Leasinggeber erlangt, die Nutzung der Leasingleistung erleichtert, ist davon auszugehen, dass die Versicherungsleistung für den Leasingnehmer im Wesentlichen einen eigenen Zweck erfüllt und nicht nur das Mittel darstellt, die Leasingleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Dies gilt auch dann, wenn der Leasingnehmer von sich aus eine Versicherung des Leasingobjekts in Anspruch nimmt, da er prinzipiell in der Wahl des Versicherers frei ist. Insgesamt ist es aber Sache der nationalen Gerichte, die Einheitlichkeit der Leistung oder das Vorliegen mehrerer Hauptleistungen festzustellen.

Zum Begriff der Lieferung nach Art. 14 Abs. 2 Buchst. b MwStSystRL in bestimmten Fällen von Kfz-Leasing (streitig war, ob in bestimmten Leasingfällen mit Kaufoption umsatzsteuerlich Lieferungen vorliegen) hat der EuGH[3] entschieden, dass der in Art. 14 Abs. 2 Buchst. b MwStSystRL verwendete Ausdruck "Mietvertrag, der regelmäßig die Klausel enthält, dass das Eigentum spätestens mit Zahlung der letzten fälligen Rate erworben wird", dahingehend auszulegen ist, dass er auf einen Standard-Mietvertrag mit Kaufoption anzuwenden ist, wenn aufgrund der finanziellen Vertragsbedingungen davon ausgegangen werden kann, dass, wenn der Vertrag bis zum Ende seiner Laufzeit ausgeführt wird, die Optionsausübung zum gegebenen Zeitpunkt als die einzig wirtschaftlich rationale Möglichkeit für den Leasingnehmer erscheint. Nach dem Urteil darf ein Kfz-Leasingvertrag, wenn er zu einer Lieferung (und nicht zu einer Dienstleistung) führen soll, dem Leasingnehmer keine echte wirtschaftliche Alternative in dem Sinne bieten, dass er zu dem Zeitpunkt, an dem er eine Wahl zu treffen hat, je nach Interessenslage den Gegenstand entweder erwerben, dem Leasinggeber zurückgeben oder weiter mieten kann. Aus den – zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung und objektiv zu beurteilenden – Vertragsbestimmungen muss zur Annahme einer Lieferung deutlich hervorgehen, dass das Eigentum am Gegenstand automatisch auf den Leasingnehmer übergehen soll, wenn der Vertrag bis zum Vertragsablauf plangemäß ausgeführt wird. Aus dem Wortlaut von Art. 14 Abs. 2 Buchst. b MwStSystRL ergibt sich nach dem Urteil, dass er sich nicht wie Absatz 1 dieser Vorschrift auf die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, bezieht, sondern, genauer, auf den "Erwerb des Eigentums" an diesem Gegenstand. Somit muss ein Leasingvertrag, um zu einer Lieferung zu führen, auch ausdrücklich eine Klausel zum Übergang des Eigentums an dem Leasinggegenstand vom Leasinggeber auf den Leasingnehmer enthalten.

4.1 Anlehnung an ertragsteuerliche Zurechnung (bis 18.3.2020)

Der BFH hatte die im Rahmen der ertragsteuerrechtlich maßgebenden Zurechnung entwickelten Rechtsgrundsätze für das Umsatzsteuerrecht übernommen und für den Fall, dass das Leasingobjekt dem Leasingnehmer zuzurechnen ist, umsatzsteuerrechtlich eine Lieferung angenommen. Danach war bei bis zum 18.3.2020 abgeschlossenen Leasing- und Mietverträgen von einer Lieferung insbesondere auszugehen, wenn

  • die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Leasing-Gegenstands erheblich länger ist als die Grundmietzeit und dem Leasingnehmer ein Recht auf Verlängerungs- oder Kaufoption zusteht, bei dessen Ausübung er nur einen einer Anerkennungsgebühr ähnelnden, wesentlich geringeren Betrag zu zahlen hat, als er sich bei Berechnung des dann üblichen Miet...

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