Entscheidungsstichwort (Thema)

Interessenausgleich. Bildungs von Vergleichsgruppen. Grobe Fehlerhaftigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die Einschränkung des Prüfungsmaßstabes in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO auf eine grobe Fehlerhaftigkeit bezieht sich nicht nur auf den Abwägungsvorgang im Hinblick auf die Kriterien der Sozialauswahl, nämlich Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten, sondern auf den gesamten Sozialauswahlprozess. Hierzu gehört auch die Bestimmung des auswahlrelevanten Personenkreises.

Es ist nicht als grob fehlerhaft anzusehen, wenn Betriebsrat und Insolvenzverwalter bei einem Interessenausgleich, in dem die zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich bezeichnend sind, die Sozialauswahl bei einem Einzelhandelsunternehmen für Arbeitnehmer ohne einschlägige kaufmännische Ausbildung aufgrund einer generalisierenden Betrachtungsweise auf die Beschäftigten in der jeweiligen Abteilung beschränken, während bei Arbeitnehmern mit einschlägiger kaufmännischer Ausbildung alle Arbeitnehmer des Betriebes mit einer vergleichbaren Tätigkeit einbezogen werden.

 

Normenkette

InsO § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Urteil vom 11.10.2001; Aktenzeichen 4 Ca 279/01)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 28.08.2003; Aktenzeichen 2 AZR 368/02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 10.10.2001 – 4 Ca 297/01 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der am … geborene, verheiratete Kläger ist gelernter Bäcker.

Ab dem 01.08.1978 war er bei der Gemeinschuldnerin, der Firma B. KG in H. als Verkäufer beschäftigt. Zunächst arbeitete er in der Staubsaugerabteilung. Ab 1986 war er in der Elektro-Kleingeräte-Abteilung im Bereich Rasiererverkauf tätig.

Durch Beschluss vom 01.04.2001 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter ernannt. Eine vom Beklagten in Auftrag gegebene Rentabilitätsprüfung ergab, dass eine sinnvolle Fortführung des Betriebes der Gemeinschuldnerin in der bisherigen Form nicht möglich sei. Der Beklagte traf im Interesse des Erhalts der Betriebsstätte eine Reihe von Organisationsentscheidungen mit dem Ziel, den Beratungsbedarf in den einzelnen Abteilungen deutlich zu reduzieren. Gleichzeitig entschloss er sich, die in der Nähe des Haupthauses gelegene Verkaufsstätte He. zum 23.06.2001 stillzulegen. Außerdem wurde ein neues Personaleinsatzsystem installiert.

Der Beklagte beabsichtigte aufgrund dessen, mehrere Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern des Betriebes zu beenden und führte zu diesem Zweck Gespräche mit dem örtlichen Betriebsrat. Der Beklagte und der Betriebsrat einigten sich auf einen Interessenausgleich mit Namensliste und Sozialplan vom 31.05.2001 wegen dessen Inhalts auf die mit Schriftsatz des Beklagten vom 25.07.2001 überreichte Kopie (Bl. 43 bis 56 d.A.) Bezug genommen wird. Im Rahmen dieser Vereinbarungen erzielte man bei der sozialen Auswahl Einigkeit über eine Gruppenbildung, und zwar in folgenden Altersstufen:

  • Arbeitnehmer bis einschließlich des 30. Lebensjahres
  • Arbeitnehmer vom 31. bis 40. Lebensjahr
  • Arbeitnehmer vom 41. bis 50. Lebensjahr
  • Arbeitnehmer vom 51. bis 60. Lebensjahr
  • Arbeitnehmer ab dem 61. Lebensjahr

Ferner verständigte sich man darauf, dass die Sozialauswahl bei Arbeitnehmern mit einschlägiger Ausbildung im Einzelhandel oder einer kaufmännischen Ausbildung zwischen sämtlichen Verkäufern im Hause stattfinden sollte. Bei Mitarbeitern ohne kaufmännische Ausbildung sollten lediglich die Mitarbeiter der jeweiligen Abteilung in die Sozialauswahl einbezogen werden. Wegen der Sozialdaten der in der Abteilung Elektro-Kleingeräte beschäftigten Mitarbeiter wird auf die Auflistung auf den Seiten 5 und 6 des Schriftsatzes des Beklagten vom 25.07.2001 (Bl. 33/34 d.A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 25.05.2001 sprach der Beklagte sodann gegenüber dem Kläger die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.08.2001 aus. Hiergegen setzt sich der Kläger mit seiner am 15.06.2001 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage zur Wehr.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Vermutungsregelung des § 125 Abs. 1 Ziff. 1 InsO könne nicht dazu führen, dass die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Kündigung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sei, auf den Arbeitnehmer übergehe. Die soziale Auswahl, die der Beklagte vorgenommen habe, sei als grob fehlerhaft anzusehen. Die Beschränkung der Sozialauswahl auf dem Bereich der Abteilung stehe im Widerspruch zu § 1 Abs. 3 KSchG. Die hierin enthaltenen Auswahlkriterien würden auch nicht etwa durch die Regelung des § 125 InsO aufgehoben. Außerdem beschreibe der Interessenausgleich die durchzuführenden Rationalisierungsmaßnahmen nicht hinreichend konkret.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass die seitens des Beklagten unter dem 25.05.2001 zum 31.08.2001 ausgesprochene Kündigung rechtswidrig ist,
  2. den...

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