Rz. 83

Für die steuerliche Gewinnermittlung stellt sich die Frage, ob eine unter bestimmten Bedingungen im handelsrechtlichen Schrifttum als möglich erachtete Durchbrechung des Realisationsprinzips (vgl. Rz. 79) auch maßgeblich für die Steuerbilanz ist. Der BFH hat bei einer mehrperiodigen Fertigung eine Teilgewinnrealisierung bislang nur dann bejaht, wenn der auf die Teilerfüllung entfallende Teil der Gegenleistung so gut wie sicher ist (z. B. bei selbstständig abnehmbaren Teilbauten im Rahmen einer qualifizierten Teilerfüllung).[1] Ansonsten lehnt der BFH eine Teilgewinnrealisierung in Abweichung vom Realisationsprinzip ab.[2] Die im Zuge des BFH-Urteils v. 14.5.2014[3] durch die Finanzverwaltung vorgenommene deutliche Ausweitung des Anwendungsbereichs dieses BFH-Urteils wurde durch das BMF-Schreiben v. 15.3.2016[4] wieder revidiert, sodass das BFH-Urteil v. 14.5.2014 über den entschiedenen Einzelfall keine weitere Wirkung entfaltet.[5]

Demzufolge ist das Realisationsprinzip auch für die Steuerbilanz verbindlich.[6] Im Vergleich zum Handelsrecht wurde auch die mit dem BilMoG in einzelnen Bereichen vorgenommene Relativierung des Realisationsprinzips (vgl. Rz. 60) im Steuerrecht in Bezug auf die Bewertung von kurzfristigen Fremdwährungsposten zum Devisenkassamittelkurs am Abschlussstichtag sowie in Bezug auf die Bewertung von Vermögensgegenständen i. S. d. § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB zum beizulegenden Zeitwert nicht nachvollzogen.[7]

Begründet wird die strenge Anwendung des Realisationsprinzips bei langfristiger Auftragsfertigung mit der Zahlungsbemessungsfunktion[8] und den Besteuerungsgrundsätzen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sowie der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.[9]

[5] Ebenso Schubert/Hutzler in Grottel u. a., Beck'scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 255 HGB Rz. 406.
[6] Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Aufl. 2015, Teil M Rz. 1017.
[7] Hier greift jeweils der Bewertungsvorbehalt des § 5 Abs. 6 EStG ein. Vgl. Falterbaum/Bolk/Reiß/Kirchner, Buchführung und Bilanz, 23. Aufl. 2020, S. 793.
[8] Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Aufl. 2015, Teil M Rz. 1017.
[9] Vgl. Schmid/Walter, DB 1994, S. 2358.

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